Totalüberwachung und Stundenmarathons: Ex-Mitarbeitende der Fischhandelsfirma Zahner in Gommiswald SG erheben schwere Vorwürfe gegen den Chef.
MIT ZIGARRE: Bernhard Zahner beim Fischen auf dem Zürichsee. (Foto: Njazi Nivokazi)
Im gallischen Dorf von Asterix und Obelix heisst der Fischhändler Verleihnix. Er ist immun gegen alle Arten von Gerüchen und verliert gegenüber Kritikern leicht die Fassung. Im sanktgallischen Gommiswald heisst der Fischhändler Bernhard Zahner. Der 34jährige ist Geschäftsführer des gleichnamigen KMU, Präsident des Schweizerischen Verbands von Comestibles-Importeuren (SIC), Mitglied der Marketingkommission der Fleisch-Lobbyorganisation Proviande und seit 2016 SVP-Kantonsrat. Im St. Galler Parlament präsidiert er die «Interessengruppe Fisch und Fleisch». Damit rangiert Zahner höher als sein gallisches Pendant. Und doch hat er mit Verleihnix einiges gemein.
KAUM SCHLAF AN OSTERN
Es ist Mitte November, als sich Linus Bircher* bei work meldet. Der Fischverkäufer stand neun Jahre lang in Zahners Diensten, war sein erfolgreichster Marktfahrer. Immer, wenn er gebraucht wurde, sprang er ein. Beschwert hatte er sich nie. Dabei hätte er Anlass genug gehabt. Zum Beispiel wegen der alljährlichen Stundenmarathons vor Karfreitag und Ostern. Am Gründonnerstag 2022 etwa musste Bircher 15 Stunden durcharbeiten, am Vortag sogar fast 21 Stunden, und noch einen Tag früher waren es 12 Stunden. Das beweist sein Stundenrapport, der work vorliegt. «Schlafen lag da nicht mehr drin», sagt Bircher. Auch Lohnzuschläge habe es nicht gegeben, weder für die Nachtarbeit noch für die Überstunden. Über 200 davon hatte er Ende Jahr angesammelt. Und schon seine «normalen» Schichten waren happig. Sie dauerten im Schnitt rund 9 Stunden – am Stück! Denn Pausen sind gesetzlich zwar vorgeschrieben, aber für Zahners Marktfahrer bloss Wunschdenken. Bircher sagt: «Wir konnten höchstens unterwegs im Auto ein Sandwich verdrücken – oder wenn gerade keine Kunden da waren.» All das schluckte Bircher, ohne zu murren. Aber dann ging sein Chef zu weit.
HEIMLICH KAMERAS INSTALLIERT
Anfang 2023 installierte er in allen vier Verkaufsfahrzeugen neue Überwachungskameras. Seine Mitarbeitenden hatte er darüber nicht informiert. Auch um deren Einwilligung hatte er nicht gebeten. Das bezeugen neben Bircher fünf weitere Insider. Sie sind überzeugt, ihr Ex-Chef handle respektlos und illegal. Tatsächlich schreibt das Schweizer Datenschutzgesetz vor, dass Mitarbeitende über eine Videoüberwachung vorinformiert werden und dieser auch zustimmen müssen. Und: Systeme zur Überwachung des Angestelltenverhaltens sind verboten. Fischhändler Zahner sieht sich dennoch im Recht (siehe Box), obwohl seine Kameras ständig auf die Mitarbeitenden gerichtet sind. Auch im Firmensitz in Gommiswald hängen zwei Kameras. Im Visier haben sie die rund 20 Produktionsmitarbeitenden. Ex-Verkäuferin Sarah Bertschi sagt: «Das sind fast alles Ausländerinnen, die kaum Deutsch verstehen und sich schlecht wehren können.» Wie Ex-Kollege Bircher findet auch sie: «Eine solche Totalüberwachung geht gar nicht!» Marktfahrer Bircher drohte wegen der Kameras mit der Kündigung. «Geh doch», habe Zahner dazu gesagt, «dann landest du mit deinen Kindern auf der Strasse!» Bircher kündigte trotzdem. Dann ging’s erst richtig los.
CHEF VERKLAGT EX-VERKÄUFER
Als Vater von zwei Kindern brauchte Bircher nämlich dringend eine neue Stelle. Und fand diese bei einem Zürcher Comestibles-Händler, der seine Produkte ebenfalls auf Märkten feilbietet. Darauf reagierte Ex-Chef Zahner brachial. Über seinen Anwalt verlangte er eine superprovisorische Verfügung: Das Kreisgericht See-Gaster solle Bircher sofort verbieten, an seiner neuen Stelle weiterzuarbeiten. Dabei berief sich Zahner auf ein höchst fragwürdiges Konkurrenzverbot in Birchers aufgelöstem Arbeitsvertrag. Dieses verbietet Bircher bis zwei Jahre nach der Kündigung jede selbständige und unselbständige Handelstätigkeit nicht nur mit Fisch, sondern auch mit Fleisch, Geflügel, Wild «und anderen Lebensmitteln», und zwar in den Kantonen Zürich, St. Gallen, Schwyz, Glarus, Appenzell Ausser- und Innerrhoden sowie Graubünden. So zumindest will es der Vertragstext. Das Gericht aber erteilte dem Chef eine Abfuhr. Denn: Für einen einfachen Marktfahrer ohne Einsicht in Kundendaten ist ein solches Konkurrenzverbot nicht zulässig. Zahner sah sich aber offenbar noch immer im Recht. Denn nun machte er Bircher ein «Angebot».
Er solle entweder auf die gerichtlich verfügte Entschädigung verzichten und ein Konkurrenzverbot bis Mitte 2024 akzeptieren. Oder aber – «Variante 2» – sich für 15 000 Franken vom angeblichen Konkurrenzverbot freikaufen. Die Masche verfing nicht. Die gescheiterte Klage kostete Zahner Tausende Franken. Aus dem Schneider ist er damit noch nicht. Denn SVP-Mann Zahner, der zuletzt mit dem Slogan «Weniger Staat, Bürokratie und Gesetze» kandidiert hatte, scheint nicht nur mit dem Arbeits- und Datenschutzgesetz seine Mühe zu haben.
KRUSTENTIERVEGIFTUNG
Alle ehemaligen Mitarbeitenden, mit denen work gesprochen hat, berichten von Hygienepraktiken, die sie nicht immer verantworten konnten. Etwa Ex-Verkäufer Fritz Merki*: «Immer wieder mussten wir tiefgekühlten Fisch umetikettieren und mit einem neuen Datum versehen.» Und Ex-Verkäufer Sepp Scheidegger* sagt: «Ältere Stücke wurden manchmal einfach zu Fischknusperli verarbeitet. So schmeckt man ja nichts mehr.» Nichts geschmeckt, aber viel gespürt hat Zahner-Marktfahrer Stefan Vogt*. Er kaufte seinem Chef Knobli-Crevetten ab und bekochte damit seine Frau. Dabei bemerkte er nicht, dass die Ware abgelaufen war. Das Resultat: «Wir lagen tagelang flach und hatten üble Bauchschmerzen.» Sein Arzt diagnostizierte eine Krustentiervergiftung und schrieb ihn vier Tage krank. Das Arztzeugnis liegt work vor. Zahner verlangte darauf eine Zweitmeinung eines Vertrauensarztes. Das zeigt ein entsprechender Chat-Verlauf. Vogt ist mittlerweile wieder gesund, aber aus dem Betrieb ausgeschieden. Und auf Frisch-Fisch.ch, der Firmenwebsite, sucht Zahner dringend Ersatz.
*Namen der Redaktion bekannt
Keiner Schuld bewusst: Das sagt der Chef
work hat Bernhard Zahner mit den Vorwürfen seiner Ex-Angestellten konfrontiert. Die Überstunden-Situation werde er mit der Personalabteilung analysieren, verspricht er. Die Kameras in den Verkaufswagen würden die Kassen überwachen, dies «ausschliesslich aus Sicherheitsgründen», die Audiofunktion sei deaktiviert. Ausserdem hätten die Angestellten mit ihren Arbeitsverträgen in die Videoüberwachung eingewilligt. Im Produktionsgebäude würden nur die Türen im Eingangsbereich, zum Büro und zu den Kühlräumen überbewacht, da es in der Vergangenheit zu Diebstählen gekommen sei.
«NIE GEHÖRT». Die Aufnahmen würden jedoch «ungesehen automatisch» wieder gelöscht und nur im Verdachtsfall ausgewertet. Während des Marktbetriebs seien nur Rauchpausen nicht erlaubt. Einige Mitarbeitende verzichteten allerdings freiwillig auf Pausen, um früher Feierabend machen zu können. Von einer Krustentiervergiftung eines Angestellten habe er «noch nie etwas gehört». Dass Produkte manchmal umetikettiert und mit einem neuen Datum versehen werden, bestreitet Zahner dagegen nicht: «Vor allem bei Eigenprodukten kann es vorkommen, dass wir nach sorgfältiger mikrobiologischer Prüfung durch ein externes Labor das Verbraucherdatum verlängern.» Durch die Tests sei eine einwandfreie Warenqualität jederzeit sichergestellt. Für die Fischknusperli würde «ausschliesslich einwandfreie Ware» verwendet.
Ich kenne diese Firma schon seit Jahren. Habe früher sehr oft dort gekauft. Seit der Juniorchef aber übernommen hat, ist die Qualität stetig schlechter geworden – nun weiss ich auch warum. Diverse Male war der Fisch einfach nicht frisch.
Schade, dass Bernhard Zahner die Firma seines Vater so runterwirtschaftet und glaubt, er könne die Kunden und Mitarbeiter für dumm verkaufen.
Dan müsste man mal darüber nachdenken das gesundheitsamt und das Arbeitsamt vorbei zuschicken Dan kann er nicht mehr behaupten das es nicht so war ganz ehrlich Dan muss er mal alles offen legen und da wollen wir mal schauen wer recht hat die Mitarbeiter oder Herrn Zahner.