Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Terroristen, Extremisten, Kriminelle. Das sind noch die anständigeren Bezeichnungen für Leute, die in den vergangenen Monaten Autobahnen blockierten: mit ihren blossen Händen, für das Überleben der Menschheit, für mehr Klimaschutz.
BLOCKADE. Ganz anders das Echo auf die deutschen Bauern: Mit Traktoren, begleitet von Galgen und rechten Parolen, blockierten sie ebenfalls Autobahnen. Für ihr persönliches Überleben, für weniger Klimaschutz. Doch niemand empörte sich über die eingeschränkte Fahrt für freie Bürger, ganz im Gegenteil.
Unmut, der sich in Protesten und Aktionen niederschlägt, gehört zur Demokratie. Deshalb sind auch die Bauernproteste legitim. Ziviler Ungehorsam wird jedoch mit unterschiedlichen Ellen gemessen. Dieselben Politiker und Medien, die gegen die Klimakleber hetzten und sie als Gefahr für die Demokratie bezeichneten, zeigen jetzt Gleichmut oder gar Verständnis für viel aggressiveres Gedankengut.
GEFAHR. Zum Beispiel für den Mythos der «Eliten», die uns verraten hätten. Solches Gedankengut führte in den USA zum Sturm der Trump-Anhänger auf das Capitol. Noch schlimmer: die Idee der «Remigration», die zuletzt an einem Geheimtreffen in Potsdam diskutiert wurde. Die millionenfache Ausschaffung von Migrantinnen und Migranten als Lösung aller Probleme. Unmut zu nutzen für eine falsche Skandalisierung von Migration ist brandgefährlich und eine Gefahr für die Demokratie.
Dass sich Frust und Missmut vielerorts breitmachen, ist durchaus verständlich. An das neoliberale Versprechen, dass es immer aufwärtsgeht, mag niemand mehr so richtig glauben. Viele chrampfen tagein, tagaus, und das nicht zu knapp. Und trotzdem bleibt am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig. Weil Mieten, Prämien und Teuerung immer mehr steigen, Löhne und Renten sich aber mehr und mehr nach unten neigen.
KITT. Die rechte Antwort auf dieses Problem: weniger Migration. In der Argumentation hier nur sehr leicht verkürzt wiedergegeben. Die linke Antwort: mehr sozialer Ausgleich. Aktuell mit der Initiative für eine 13. AHV-Rente, über die wir am 3. März abstimmen (die ausführliche Argumentation finden Sie hier) . Ja, liebe NZZ als rechtsbürgerliches Sprachrohr, die AHV ist eine Umverteilungsmaschine. Aber nein, Umverteilung ist kein Schimpfwort, sondern sozialer Kitt.
Anders als NZZ-Inlandchefin Christina Neuhaus müssen wir nicht auf scheinbar zufällig mitgehörte Zuggespräche in der 1. Klasse von angeblich reichen Rentnerinnen zurückgreifen, die sich über ihre 1.-Klass-GA freuen und in der Welt herumjetten. Wir haben mit echten Menschen gesprochen, die mit Namen und Foto hinstehen und sagen, wieso es diese 13. Rente jetzt dringend braucht.