Busfahrerinnen werden von Passagieren beschimpft
«Schlampe, Hure – das ganze Programm»

Busfahrerinnen ­erleben immer wieder Respektlosigkeiten. In Freiburg will eine Gruppe von ihnen das jetzt nicht mehr ­hinnehmen – und kann bereits einen Erfolg verbuchen.

FRAU AM STEUER: Buschauffeuse Tania Kaech und ihre Kolleginnen sind bei den Freiburgischen Verkehrsbetrieben in der Minderheit. (Foto: Marco Zanoni)

Zum Glück gab es die Plexiglasscheibe. Seit der Coronazeit trennt sie in den Bussen der Freiburgischen Verkehrsbetriebe (TPF) den Eingangsbereich und den Fahrersitz. Oder, im Fall von Tania Kaech, den Fahrerinnensitz. Ohne die Scheibe, sagt die 42jährige, wäre es an jenem Tag noch schlim­mer gekommen. Eine junge Studentin rastete im Bus aus und schrie die Chauffeuse an. «Dann kletterte sie hoch, beugte sich über die Scheibe und boxte mich in den Arm.»

In den fünf Jahren, in denen Kaech ihren Bus durch den Freiburger Verkehr steuert, war dies zwar der schlimmste Übergriff. Aber bei weitem nicht der einzige. Verbale Attacken, etwa dass ein Fahrgast sie als «Schlampe» beschimpfe, das erlebe sie mittlerweile fast jeden Tag. Ein Typ habe sich geweigert einzusteigen, als er sah, dass eine Frau am Steuer sass. Ein anderer habe sich direkt hinter sie gesetzt und sie während der Fahrt eine halbe Stunde lang angepöbelt. «Arschloch, Hure und so weiter, das ganze Programm.»

GEMEINSAM STARK: Die Chauffeusen in Freiburg haben sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen und bereits erste Erfolge gefeiert. (Foto: SEV)

GEGEN MACHO-MÄNNER

Nein, an solche Vorfälle wollten sie und ihre Kolleginnen sich nicht gewöhnen, sagt Kaech. Deshalb gründeten TPF-Fahrerinnen vor einem Jahr eine Frauengruppe, unterstützt von der Verkehrsgewerkschaft SEV. Auch ­deren Sprecher Michael Spahr macht sich Sorgen, denn Attacken und Beleidigungen gegenüber den Mitarbeitenden hätten stark zugenommen: «In der Coronakrise mit der Maskenpflicht im ÖV hat ein Dammbruch stattgefunden. Die Betriebe sind jetzt gefordert, ihre Mitarbeitenden besser zu schützen.»

Tania Kaech sagt, an den Treffen in der Gruppe sei schon nur der regelmässige Austausch sehr wertvoll: «Wir arbeiten ja ­alleine. Und wir starten alle von verschiedenen Depots, verteilt im ganzen Kanton. In der Gruppe spüre ich jetzt die Solidarität der anderen Frauen, das ist toll!»

Und nötig. Denn obwohl bei den TPF heute mehr Frauen am Steuer sitzen als noch vor ein paar Jahren: Kaech schätzt, dass sie erst etwa 10 Prozent des Fahrpersonals ausmachen. Damit liegt Freiburg hinter den Städten Bern und Zürich zurück, wo immerhin rund 20 Prozent der Trams und Busse von Frauen gelenkt werden. Michael Spahr vom SEV bestätigt: «Der öffentliche Verkehr ist in sehr vielen Bereichen nach wie vor eine Männerwelt. Für Frauen ist es nicht immer leicht, Gehör zu finden.»

ERFOLG AN DER WC-FRONT

An einem Ort haben dies die TPF-Frauen trotzdem bereits geschafft: im Pausenraum des Busbahnhofs in Freiburg. Dort gibt es zwar ein Männer- und ein Frauen-WC. «Aber einige Männer foutierten sich dar­um und gingen zu den Frauen. Das fanden wir respektlos.» Die Frauengruppe intervenierte – und hatte Erfolg: Dank einem Badge können jetzt nur noch Frauen die Frauentoilette benutzen.

Ungelöst sei das WC-Pro­blem dagegen während der Schichten, so Kaech. Weil der Verkehr stark zugenommen hat, kommen die Busse meist ver­spätet an der Endstation an. Damit entfällt die Lücke im Fahrplan von ein paar Minuten. «Aus Angst vor Reklamationen verklemmen viele Kolleginnen dann den Gang auf die Toilette, um die Verspätung wieder einzuholen. Oder sie trinken zu wenig, auch im Sommer.»

LASST SIE REKLAMIEREN!

An den Treffen macht Kaech den Frauen Mut. Lieber etwas Verspätung, sagt sie, anstatt die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen. «Sollen die Fahrgäste nur reklamieren! Vielleicht braucht es das, damit sich etwas bessert.»

Kommt dazu: Auf dem Land gibt es an vielen Endstationen gar keine Toilette. Deshalb ist für Kaech klar: «Auch unsere Kollegen würden profitieren, wenn es überall eine Toilette hätte.»

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