Über 58 Prozent der Stimmenden sagten Ja zu einer 13. AHV-Rente. Der Ausbau der AHV ist historisch. Und er zeigt: Konkrete Lösungen für reale Probleme schlagen Finanzindustrie-Millionen und die bürgerliche Angstmacherei.
FEIERN MIT DER GIESSKANNE: So hat work-Cartoonist Vulpino den Abstimmungssieg zeichnerisch festgehalten.
Das deutliche Ja zum AHV-Ausbau ist den rechten Parteien und ihren Sponsorinnen und Sponsoren aus der Finanzindustrie in die Knochen gefahren. Sie haben die Gewerkschaften unterschätzt. Und sie haben unterschätzt, wie ruiniert ihre Glaubwürdigkeit ist, wenn es um die wirtschaftliche Situation der Mehrheit in diesem Land geht. So sind wir jetzt Zeuginnen und Zeugen einer besonders hartnäckigen Form von Realitätsverweigerung bürgerlicher Politiker, Arbeitgebervertreterinnen und Aargauer und Zürcher Medienschaffenden. Sie wollen nicht begreifen, dass sie verloren haben. Sie können nicht fassen, dass die Stimmenden ihrer Panikmache nicht geglaubt haben und auf ihre leeren Versprechen nicht hereingefallen sind. Bürgerliche Politikerinnen und Politiker drohen mit Verzögerungen und Rache-Finanzierungen. Die Nein-Kampagne-Medien porträtieren weinerliche junge FDPler, die es ob des gar schrecklichen Volksentscheids kaum mehr aus dem Bett und zur Arbeit schaffen.
SIMPEL UND EINFACH
Dabei ist es ganz einfach: Nach Jahrzehnten Politik für die Superverdienenden, die Konzerne und die sehr Vermögenden hat die Mehrheit des Volkes genug. Genug vom Mantra, dass es allen besser geht, wenn es den Reichen noch besser geht. Doch hinter dem Erfolg vom 3. März stecken auch über 20 Jahre Arbeiten und Dazulernen der Gewerkschaften. Im Oktober 2002 lancierte der SGB-Kongress die Idee einer 13. AHV-Rente. Auf Antrag des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes (SEV). Eine Initiative wurde damals noch nicht geplant. Die Einschätzung war, dass dies zu lange dauern würde.
Die Initiative kam dann doch, weil sich die Lage der Rentnerinnen und Rentner vor allem wegen der bröckelnden Pensionskassenrenten immer mehr verschlechterte.
Die Initiative war ganz einfach: 1. Es wird eine 13. AHV-Rente ausgezahlt. Und 2. dies spätestens mit Beginn des zweiten Kalenderjahres nach der Annahme der Initiative. 3. Bestehende Ergänzungsleistungen und der Anspruch auf diese werden nicht tangiert. Einfach, klar, einleuchtend. Eine konkrete Lösung für reale Probleme.
Die Finanzierung ist ganz einfach: Eine umgehende Finanzierung braucht es nicht. Der AHV geht es sehr gut. Mittelfristig braucht es aber höhere AHV-Einnahmen. Mit zusätzlichen 0,4 Lohnprozenten für Arbeitgeber und Arbeitnehmende ist die 13. AHV-Rente finanziert. Das haben die Gewerkschaften immer gesagt. Klar und deutlich. Nur die AHV-Gegnerinnen und -Gegner wollten es nicht hören, und die ihnen hörigen Medienschaffenden raunen immer noch von der angeblich «schwierigen» und «ungeklärten» Finanzierung.
Dabei ist die Ausgangslage klar: Die Extrem-Verdienenden wollen keine höheren Lohnbeiträge, weil sie mehr in die AHV einzahlen als sie erhalten. Das betrifft 8 Prozent der Erwerbstätigen. Für diese kleine Minderheit mit dem grossen Geld machen SVP, FDP, GLP und Teile der Mitte Politik. So verbissen, dass sich manche aktuell schon um Kopf und Kragen argumentieren. Machen wir doch mal die Rechnung: Bei einem Medianlohn (die Hälfte verdient mehr, die andere weniger) von 6665 Franken machen 0,4 Lohnprozente 26.65 Franken aus. Die von der bürgerlichen Mehrheit gezimmerte BVG-Reform, über die wir dank dem Referendum der Gewerkschaften voraussichtlich im Herbst abstimmen, würde die gleiche Arbeitnehmerin 34.10 Franken mehr kosten. Noch krasser sieht das Verhältnis bei niedrigeren Löhnen aus: Im Detailhandel beträgt der Medianlohn 4997 Franken. Die Verkäuferin kostet die 13. AHV-Rente rund 20 Franken im Monat. Bei einem von den Bürgerlichen gewünschten Ja zur BVG-Reform hat sie Monat für Monat 65.75 Franken weniger im Portemonnaie – für eine sinkende Rente. Wer jetzt also Stimmung macht gegen Lohnbeiträge im Promillebereich, muss dann in einem knappen halben Jahr extrem wendig bis windig sein, wenn es um Maxi-Abzüge für Mini-Renten geht.
Übrigens: Der Gewerkschaftsbund hat ausgerechnet, dass die Lohnbeiträge an die Sozialversicherungen in den nächsten Jahren insgesamt so stark sinken werden, dass Werktätige im Portemonnaie von den höheren AHV-Beiträgen gar nichts merken werden. SGB-Chefökonom Daniel Lampart hat die Zahlen in seiner work-Kolumne bereits im Februar detailliert vorgestellt.
ES GEHT GANZ KONKRET WEITER
Mit der Annahme der 13. AHV-Rente wird die Kaufkraftkrise der Älteren entschärft. Das ist ein erster, wichtiger Schritt hin zu einer sozialeren Schweiz. Und bereits im Juni können wir einen weiteren Schritt machen. Dann kommt die von den Gewerkschaften unterstützte Prämienverbilligungsinitiative der SP zur Abstimmung. Sie ist genauso einfach und konkret wie die AHV x 13-Initiative: Niemand soll mehr als 10 Prozent seines Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben müssen. Das wäre ein massiver Schritt für alle Normalverdienenden. Denn die Prämien sind im vergangenen Vierteljahrhundert um 158 Prozent teurer geworden, die Löhne aber nur um 12 Prozent gestiegen. Die bürgerlichen Parteien werden auch auf diese Abstimmung hin wieder die Millionen der Banken und Versicherungen auf sicher haben und die Zürcher und Aargauer Verlagshäuser an ihrer Seite. Doch der Erfolg der AHV x 13-Initiative zeigt: Die Mehrheit sagt Ja zu konkreten Lösungen für reale Probleme!