Die gleiche Baustelle, das gleiche Generalunternehmen, die gleiche Sauerei: An der Konsumstrasse in Bern wurden erneut zwei ausländische Arbeiter ausgebeutet. Einer wurde wortwörtlich auf die Strasse gestellt und musste drei Nächte am Bahnhof ausharren.
YES, GESCHAFFT! Baubüezer Ibrahim K. (in der Mitte) hat seinen Lohn erhalten. (Foto: dak)
Schon wieder rückten die Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre frühmorgens an die Konsumstrasse 10 in Bern aus. Bereits im vergangenen November fiel die Baustelle mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auf. Fünf Ungaren mussten für Dumpinglöhne arbeiten und auf der kalten Baustelle schlafen (work berichtete: rebrand.ly/BaustelleKonsumstrasse). Jetzt wiederholte der Generalunternehmer Gazmend «Gazi» Krasniqi von der «Roga Generalunternehmungen GmbH» mit Sitz in Lachen (SZ) die Ausbeutung. Dieses Mal mit zwei bulgarischen Arbeitern.
SCHON WIEDER: Die Unia musste die Baustelle an der Konsumstrasse 10 in Bern schliessen. (Foto: dak)
VERBOTENE BARAUSZAHLUNGEN
Ibrahim K (46) und sein Bruder wurden Anfang Februar für diverse Bauarbeiten an der Konsumstrasse 10 direkt von Roga-Chef Krasniqi angestellt. Die Arbeitsverträge der ausländischen Büezer sind alles andere als sauber. Sie wurden als Gipser auf Abruf im Stundenlohn angestellt, was nicht zulässig ist. Versprochen hat der Generalunternehmer den Büezern aus Bulgarien total 20 000 Franken. Doch in Wirklichkeit erhielten sie wöchentlich unterschiedliche Beträge bar auf die Hand. Sie arbeiteten zu unterirdischen Dumpinglöhnen, wie die Berechnungen der Gewerkschaft aufzeigen. Zudem sind Barauszahlungen im Gipsergewerbe untersagt
Doch damit nicht genug. Während der Bruder von Ibrahim K. bereits Mitte März die Schweiz aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste, arbeitete Ibrahim K. weiter auf der Baustelle. Am Donnerstag, 4. April, wurde er durch seinen direkten Vorgesetzten fristlos entlassen und aus der Arbeiterwohnung geschmissen. Was darauf folgte, war für den Bauarbeiter der Tiefpunkt: Drei Tage harrte er auf dem Berner Bahnhof aus, weil er weder Geld noch eine Unterkunft hatte. Bis die Unia aktiv wurde.
SOLIDARITÄT UNTER BÜEZERN
Die Gewerkschaft reagierte sofort und brachte Ibrahim K. in einem Hotelzimmer unter. Co-Leiter der Unia-Bern Stefan Wüthrich kontaktierte daraufhin Gazmend Krasniqi der «Roga Generalunternehmungen GmbH», die Bauleitung «Baumotiv GmbH» sowie die Bauherrschaft «BJH GmbH». Die drei Parteien schoben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe und sahen sich nicht in der Pflicht zu handeln. So entschied die Unia kurzerhand, die Baustelle zu schliessen.
LOHNDRÜCKER: Der Generalunternehmer hat zwei Bulgarische Baubüezer zu Dumpinglöhnen angestellt. (Foto: dak)
Die Forderung: Solange Ibrahim K. seinen rechtmässigen Lohn nicht erhält, wird auf der Baustelle an der Konsumstrasse gestreikt. Die Unia lud alle drei Parteien zu Verhandlungen ein, der Einladung folgt nur Generalunternehmer Krasniqi. Frühmorgens noch bevor die restlichen Baubüezer auf der Baustelle eintrafen, blockierte die Unia die Baustelle mit Fahnen, Transparenten und Absperrband. Passantinnen und Passanten wurden mit Flyern über die üblen Zustände auf dieser Baustelle informiert. Während Krasniqi schon frühmorgens am Verhandlungstisch der Unia sass, trudelten auf der Baustelle immer mehr Bauarbeiter ein. Sie zeigten sich solidarisch mit ihrem Kollegen aus Bulgarien und legten ihre Arbeit nieder. Bis zum Verhandlungsschluss um 9.00 Uhr betrat kein Arbeiter die Baustelle.
DRINGEND MEHR KONTROLLEN
Für den 46jährigen Bauarbeiter aus Bulgarien waren die vergangenen Tage in Bern sehr belastend. Als er auf seinen Chef trifft, ist er eingeschüchtert und nervös. Umso erfreulicher das Endergebnis: Ibrahim K. erhält von Roga-Chef Krasniqi noch am selben Tag 4000 Franken bar auf die Hand. Insgesamt hat der Bauarbeiter netto 8500 Franken für zwei Monate verdient, sein Chef muss sämtliche Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Ibrahim: «Ich hatte grosse Angst, wie es mit mir weitergeht. Umso mehr Mut brauchte es, mich zu wehren.»
Damit diese Ausbeutung nicht nochmals geschieht, ist für die Unia klar: Es braucht engmaschigere Kontrollen auf dem Bau und Strafen, die den Chefs wehtun. Auf dem Rücken von ausländischen Arbeitern, die nur wenig Deutsch verstehen, wird gnadenlos Lohndrückerei betrieben. Unia-Mann Stefan Wüthrich sagt: «Auf dem Bau kommt es gerade bei den Löhnen viel zu oft zu Verstössen. Klar ist: Wer in der Schweiz arbeitet, muss Schweizer Löhne erhalten!»