Streikdrohung macht’s möglich
St. Galler Stahlarbeiter kassieren 10’000 Franken Abgangsentschädigung

Die Stahlrohr-Schmiede Mubea in Oberriet SG macht dicht und wollte 31 Entlassene mit einem Billig-Sozialplan abspeisen. Doch die Stahl-Büezer haben sich gewehrt.

HARTE REALITÄT. In Oberriet SG werden bald keine Präzisionsstahlrohre mehr gefertigt. (Foto: shutterstock)

Die Hiobsbotschaft kam Ende Mai. «Aus wirtschaftlichen Gründen» schliesst die Mubea Präzisionstahlrohr AG ihren Standort in Oberriet im St. Galler Rheintal. Schon im Oktober werden die Maschinen abtransportiert. 31 Mitarbeitende verlieren ihre Stelle. Sie sind die letzten Zeugen eines einst stolzen Werks. Noch 2021 zählte der Industriebetrieb 250 Angestellte. Wobei er damals noch OBR Steel Tubes AG hiess und zum lokalen Traditionsunternehmen Jansen gehörte. Dann verkaufte Jansen die Sparte an die Mubea, einen deutschen Automobil- und Flugfahrtzulieferer mit weltweit über 50 Niederlassungen. In Oberriet strichen die neuen Besitzer schon im Jahr darauf 120 Stellen zusammen – nun folgt der Rest. Bloss die Abteilungen Entwicklung und Vertrieb werden verschont. Pikant: Die Massenentlassung wollte man offenbar möglichst günstig durchziehen. So verkündete Mubea, die Entlassenen mit «Bewerbungsworkshops» unterstützen zu wollen. Zudem solle «für spezielle Härtefälle» und auf Antrag ein Sozialplan zum Tragen kommen. Doch das reichte der Belegschaft nicht.

«Viele von uns stehen vor dem Nichts»

Mit ihrer Personalkommission (Peko) wandten sich die Beschäftigten an die Gewerkschaften Unia und Syna. Und eine Betriebsversammlung schaffte Klarheit über ihre dringlichste Forderung: eine faire Abfindung! Doch davon habe die Geschäftsleitung nichts wissen wollen, sagt Unia-Sekretär Irek Holdowanski. «Sie argumentierte, die 120 Entlassenen von 2022 hätten auch keine Abfindungen bekommen.» Das interessierte die Belegschaft allerdings nur mässig. Ein Peko-Mitglied erklärt zu work: «Viele von uns stehen vor dem Nichts! Wir sind Leute kurz vor der Rente, aber auch Väter mit Familienpflichten. Und wenn wir weiterhin auf unserem Metier bleiben wollten, müssten wir auswandern.» Zudem sei der Arbeitsmarkt in der Branche angespannt: «Eine neue Stelle werden wir zwar schon irgendwann finden, doch verdienen werden wir sicher 1000 Franken weniger.» Die Automobilindustrie mache nämlich gerade eine Krise durch, was viele Chefs ausnützten, um Neueingestellten tiefere Löhne zu bezahlen.

Schnelles Handeln war nötig

Also überlegten die Mubea-Arbeiter, was zu tun sei – und zwar mit Tempo. Dazu das Peko-Mitglied: «Uns war sofort klar, dass wir noch vor den Sommerferien handeln mussten. Denn später sieht’s auftragsmässig mager aus.» Und wie immer galt auch bei Mubea: Je weniger Aufträge, desto schwächer die Druckmittel. Ein solches haben die Mubea-Beschäftigten aber bald gefunden: «Die Belegschaft stand kurz vor einem Streik», sagt Unia-Mann Holdowanski. Die Entschlossenheit habe ihn selbst überrascht, zumal nur wenige der Arbeiter in einer Gewerkschaft seien. Das Peko-Mitglied bestätigt aber: «Mindestens die Hälfte der Leute wäre bereit gewesen, die Maschinen im Ernstfall abzustellen!» Die Geschäftsleitung jedenfalls registrierte die neue Ausgangslage sofort – und versuchte es mit einer Warnung: Die Lohnzahlung werde während eines allfälligen Streiks eingestellt. Doch das verfing nicht, denn die Belegschaft hatte gerechnet: «Uns Arbeiter hätte ein Streiktag maximal 300 Franken gekostet, für die Firma aber wäre ein Produktionsunterbruch mit Lieferverzögerungen extrem teuer geworden», sagt das Peko-Mitglied. Der Mann betont aber, dass er mit der Geschäftsleitung stets vernünftig habe diskutieren können. Man sei sich respektvoll und auf Augenhöhe begegnet. Letztlich seien den Schweizer Managern aber die Hände gebunden gewesen. Erst die Streikdrohung habe Bewegung in die Sache gebracht: Die deutsche Konzernleitung machte ein Angebot.

Schriftliche Bestätigung eingeholt

Zwei Bruttomonatslöhne – als Abgangsentschädigung für alle Entlassenen. Die Mubea-Büezer diskutierten das Angebot, auch mit den Gewerkschaften – und willigten schliesslich ein. Aber nicht ohne zuvor die schriftliche Bestätigung eingeholt zu haben, dass in diesem Angebot auch die Schichtzulagen berücksichtigt sind. «Das macht für einige Kollegen bis zu 1400 Franken aus», sagt der Peko-Mann. Und so winken jetzt jedem der 31 Entlassenen rund 10000 Franken. «Besser als nichts», meint das Peko-Mitglied. Aber eigentlich sei es eine Schande, dass man als Arbeiter in der reichen Schweiz so schlecht geschützt sei. In den Nachbarländern seien Entschädigungen bei Massenentlassungen längst Standard und viel höher. 

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