Wegen Protest gegen Bäckerei-Boss
Drei Jahre Knast für spanische Gewerkschafterinnen!

An sechs Mitgliedern der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT soll ein Exempel statuiert werden. Dahinter steckt ein Unternehmersohn mit besten Beziehungen ins rechte Establishment des Königreichs – und zu Javier Milei.

IHR SEID NICHT ALLEINE! Auch in Barcelona demonstrierten am 19. Juli Hunderte für die sechs Verurteilten von La Suiza. (Foto: CNT)

«Gewerkschaftsarbeit ist kein Verbrechen!» schallt es derzeit in ganz Spanien über die Plätze. Allein am vergangenen Donnerstag sind in 18 verschiedenen Städten mehrere Tausend Menschen auf die Strasse gegangen – trotz der herrschenden Extremhitze. Ihre Wut gilt einem Skandalurteil, das zuerst der oberste Gerichtshof Asturiens gefällt hatte und nun vom obersten Gerichtshof Spaniens in Madrid bestätigt wurde. Demnach müssen fünf Frauen und ein Mann, allesamt Mitglieder der kleinen anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT, für dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Beide Gerichte befanden nämlich, die Gewerkschafterinnen hätten sich einer «fortgesetzten schweren Nötigung» schuldig gemacht. Dies, weil sie vor sieben Jahren an Kundgebungen gegen die Konditorei «La Suiza» im nordspanischen Gijón teilgenommen hatten.

Flugblattaktion als «schwere Nötigung»

Tatsächlich haben «die Sechs von la Suiza» im Jahr 2017 immer wieder auf der gegenüberliegenden Strassenseite der Konditorei protestiert und Flugblätter verteilt – stets friedlich und im Rahmen bewilligter Kundgebungen.

Der Konflikt war damals aufgeflammt, da sich eine «Suiza»-Angestellte wegen sexueller Belästigung an die CNT gewandt hatte. Eine entsprechende Strafuntersuchung wurde mangels Beweisen eingestellt, genauso wie die versuchte Retourkutsche des Unternehmers wegen angeblicher Verleumdung. Der Konflikt drehte sich aber auch um Kündigungen, ausstehenden Urlaub, Überstundenbezahlung und generell um Arbeitsbedingungen. So sei die belästigte und damals schwangere Konditorin gezwungen worden, 25 Kilo schwere Säcke zu schleppen.

«GEWERKSCHAFTSARBEIT IST KEIN VERBRECHEN», Banner an der Demonstration in Pamplona. (Foto: Ralf Streck)

Man habe durchaus verhandeln wollen, betont die CNT. Doch der Unternehmer habe sich stets geweigert und auch eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Zahlung einer Abfindung abgelehnt. Erst dann sei man an die Öffentlichkeit gegangen, erklärt die CNT.

Richter ist notorischer Gewerkschaftsfresser

Doch ebendiese öffentlichen Aktionen hätten das Unternehmen letztlich in den Ruin getrieben, befand der asturische Richter Lino Rubio Mayo. Dabei stellte er im Urteil selbst fest, dass die Konditorei damals schon ein Jahr lang wegen Geschäftsaufgabe zum Verkauf gestanden hatte. Für Rubio ist das aber offenbar kein Widerspruch. Und schliesslich ist er spanienweit berüchtigt für seine drakonischen Urteile gegen soziale Bewegungen. So hatte er schon 2007 zwei Gewerkschafter zu je drei Jahren Haft verurteilt – weil sie während einer Demonstration gegen eine Werftschliessung eine Überwachungskamera beschädigt haben sollen.

Im Fall von «La Suiza» meinte Richter Rubio, die Vorgehensweise der CNT-Leute sei «weder durch die Meinungsfreiheit noch durch die Gewerkschaftsfreiheit» gedeckt gewesen. Und so verurteilte er nicht nur die Mitglieder, sondern auch gleich noch ihre Organisation. Die CNT muss nun, höchstrichterlich bestätigt, 150 000 Euro an den geschädigten Konditorei-Chef zahlen. All das lässt jetzt bei den spanischen Gewerkschaften die Alarmglocken schrillen.

Ganze Gewerkschaftsbewegung solidarisch

An einer gemeinsamen Pressekonferenz hatten sich 14 verschiedene Gewerkschaften mit der CNT solidarisiert – darunter auch die beiden Grossverbände CCOO und UGT, die sonst Distanz halten zu den Anarchosyndikalisten. Diese seltene Gewerkschaftseinigkeit wurde in Spanien geradezu als «historisch» gewertet. Aber sogar die linke Vizeregierungschefin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz hat sich für die Verurteilten ausgesprochen. Es sei «unerträglich», dass Menschen ins Gefängnis sollten, «die für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen», sagte Díaz.

SOLIDARITÄT: 14 verschiedene Gewerkschaften, darunter die Grossverbände CCOO und UGT, haben der CNT ihre Unterstützung zugesichert. (Foto: CNT)

Die Proteste gingen über das Wochenende weiter. Bei immer noch hitzigen 36 Grad hatten sich auch im baskischen Pamplona Dutzende Menschen vor dem Rathaus versammelt. Sie skandierten: «Freispruch für die Sechs aus Gijón!» Interessierten Passanten erklärten sie per Megaphon, dass «Repression im spanischen Staat nicht neu» sei. Doch jetzt habe man es mit einer regelrechten «Strafkampagne» zu tun: 

Das Urteil ist eine Drohung an alle Arbeiter, Umweltschützerinnen, soziale Bewegungen und Frauen, die für ihre Rechte eintreten!

Von einem «gefährlichen Präzedenzfall» spricht auch die CNT. Ihr Sprecher in Pamplona sagte zu work, mit dem Urteil könne Gewerkschaftsarbeit nun ganz generell bestraft werden. Treffen könne es alle, auch wenn sie friedlich protestierten.

Chefsohn schickt Jubelgrüsse aus Argentinien

Dass es nur darum ging, ein Exempel zu statuieren, daraus machte Pablo Álvarez (34) kein Hehl. Der Sohn des «Suiza»-Chefs und Miteigentümer hatte sogar öffentlich erklärt, er beabsichtige, «die CNT Gijón aufzulösen und damit einen Präzedenzfall zu schaffen». Dafür hatte Álvarez, der wie seine Eltern im rechten Polit-Establishment Spaniens bestens vernetzt ist, einen prominenten Anwalt organisiert: Javier Gómez Bermúdez, den langjährigen Präsidenten der Audiencia Nacional, des Antiterror-Sondergerichts mit Ursprung in der Franco-Diktatur.

Als der oberste Gerichtshof in Madrid der Argumentation von Bermúdez folgte, feierte Kläger Álvarez seinen Triumph auf X. Dazu postete er ein Bild von sich und Bermúdez in einer Strand-Lounge, beide lachend. Dazu der Satz: «Javier, du bist der grösste Strafrechtler! Wir haben es geschafft!» Abgeschickt hat Álvarez seinen Tweet wohl übrigens aus Argentinien, wo er heute lebt. Als bekennender Fan von Leuten wie Trump, Bolsonaro oder Ronald Reagan arbeitet er für die Regierung von Javier Milei, also für den Mann, der Gewerkschaften am liebsten ganz abschaffen würde. Ihn nennt Álvarez «meinen Präsidenten».


Die CNT jedenfalls will als nächstes vor das Verfassungsgericht ziehen. Und CNT-Anwalt Evaristo Bango kündigte an, im Notfall auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. work bleibt dran.  

2 Kommentare

  1. Peter Schelm 25. Juli 2024 um 9:06 Uhr

    Zustände sind das in Franco-Land…
    Viel hat sich da nicht geändert.
    Danke für den Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.