Die Arbeit im Vier-Sterne-Hotel in Arosa machte ihn krank
Edel von aussen, grausam im Innern

Das Waldhotel Arosa ­verspricht nach aussen Erholung und Genuss. Doch in der Küche erlebte Unia-Mitglied Arnau Sanchez eine toxische Kultur: Chefs brüllen rum, beleidigen Mitarbeitende und machen ­abschätzige Sprüche über ihre Herkunft.

ERNIEDRIGT: Was Arnau Sanchez im Waldhotel Arosa erlebte, hat ihm psychisch zugesetzt. Doch die Chefetage hat das Problem nicht ernst genommen. (Foto: Urs Homberger)

Über hundert Jahre Geschichte, Vier-Sterne-­Superior-Qualität, 16 Gault-Millau-Punkte in der Küche. Was aber den Aufenthalt im Waldhotel in Arosa GR zu einem ganz besonderen Erlebnis mache, das sei, so der Betrieb auf der Homepage, sein «eingeschworenes Team». Und weiter: «Nur ein glückliches Team ist ein gutes Team.» Man wolle «als Arbeitsplatz top sein, um als Gastgeber zu brillieren».

Schnitt in die Küche. «Fuck off!» schallt es durch den Raum. Zu deutsch: Verpiss dich! Untermalt durch ein dumpfes Geräusch – vielleicht ein Faustschlag gegen eine Vorratsdose. Nein, dieser Ton stammt nicht von der Hotel-Homepage. Sondern aus der Realität. Aufgenommen hat ihn Arnau Sanchez.

«DU BIST EINE GELDVERSCHWENDUNG»

Auf den Spanier wirken die schönen Sätze, mit denen sich das Hotel anpreist, wie blanker Hohn. Was er hinter den Kulissen des «Genusshotels» erlebe, sei das pure Gegenteil: Mitarbeitende würden respektlos abgekanzelt, herumkommandiert und wegen ihrer Herkunft diskriminiert. Der Wutausbruch auf der Tonaufnahme stammt laut Sanchez vom Souschef, also der Nummer zwei in der Küchenhierarchie.

Zwar ist der Vorfall erst wenige Wochen her. Doch den Grund dafür kann Unia-Mitglied Sanchez nicht mehr nennen. Denn: «Er und der Chefkoch, beide lassen ihrer Wut ­jeden Tag freien Lauf.» Dann hagle es Belei­digungen, manchmal auch Drohungen. Sei ­jemand zu langsam, bekomme er oder sie ­­zu hören: «Du bist eine Geldverschwendung.» Oder: «Dich hätten wir innert fünf Minuten ersetzt.»

Gegenüber Menschen aus Spanien oder Portugal, berichtet Sanchez, äusserten sich Chef und Souschef besonders verletzend. Die beiden stammen aus Deutschland. Zu Leuten aus Südeuropa sprächen sie, so der 23jährige, oft «wie zu begriffsstutzigen Kindern. Wir seien ja eh nur wegen des Geldes in die Schweiz gekommen.» Egal, ob sie abwaschen, anrichten oder anderen in der Küche zur Hand gingen: «Was wir machen, ist immer schlecht und immer zu langsam.»

Klar, in einer Grossküche gehe es manchmal stressig zu. Aber solches Verhalten will Sanchez nicht hinnehmen. Er sagt:

Respekt ist nicht verhandelbar!

In der vergangenen Wintersaison, berichtet er, habe er in einem Restaurant in Davos gearbeitet: «Dort hatten wir auch sehr viel zu tun. Aber das war nie ein Grund, herumzubrüllen oder Leute zu beleidigen.»

DER ZUSAMMENBRUCH

Ende Juli, Sanchez hat gerade erst die Probezeit überstanden, merkt er: Er kann nicht mehr. In seinem Zimmer erleidet er einen Zusammenbruch.

Ich sah keinen Ausweg mehr. Ich wusste: Wenn ich wieder in diese Küche gehe, wird es schlimmer.

DISKRIMINIERT: Arnau Sanchez sagt, dass er und seine Landsleute sich wegen ihrer Herkunft abschätzige Sprüche anhören mussten. (Foto: Urs Homberger)

Er ruft die Ambulanz. Die fährt ihn nach Chur, in die psychiatrische Klinik. Zum ersten Mal in seinem jungen Leben. Seither ist er krankgeschrieben.

Nach aussen lobt das Waldhotel seinen Chefkoch in den höchsten Tönen. Gerd Reber, seit über 30 Jahren auf dem Posten, biete «absolute Haute Cuisine», schwärmt die Hotel-Website. Und weiter: «Dabei bleibt er seiner Professionalität und seinen Qualitätsansprüchen stets treu.» Besonders bitter für die ­armen Teufel in der Waldhotel-Küche: Das Hotel bezeichnet Chefkoch Reber als «Küchengott». Wer derart in den Himmel ge­hoben wird, der braucht, so scheint’s, keine Menschlichkeit mehr.

Nach seinem Zusammenbruch sucht ­Arnau Sanchez das Gespräch mit V., Vizedirektor des Hotels und Personalverantwortlicher. Er berichtet ihm vom respektlosen Ton der beiden Chefs. Die Reaktion von V. habe ihn irritiert:

Es machte den Eindruck, er kenne das Problem. Seine Antwort war: Wenn ich mich nicht wohlfühle, solle ich einfach gehen. Niemand halte mich hier fest.

Er habe seinen ­Ohren nicht getraut, sagt Sanchez. «Ich dachte mir: Das ist eure Lösung? Anstatt dass ihr das Problem anpackt? Wenn ich gehe, ergeht es doch der nächsten Person genauso!»

Auf die Fragen von work hält das Waldhotel zunächst fest: «Geschrien wird in un­serer Küche nicht.» Räumt dann aber ein, in den über 30 Jahren Tätigkeit des Chefkochs habe sich «auch die Küchensprache entwickelt. Zum Glück.» Der Betrieb habe in die Kommunikation in der Küche «in den letzten Jahren sehr viel Aufwand und Schulungszeit investiert».

FLUCHT NACH VORNE: Der 23-jährige Spanier zog nicht einfach den Kopf ein, sondern machte seine Erfahrungen publik. (Foto: Urs Homberger)

Trotzdem ist Arnau Sanchez offenbar nicht der erste, der den rüden Ton der Küchenchefs bemängelt. Wörtlich schreibt das Hotel: «Kam es dennoch zu einer Kritik, wurde das ­innert sehr kurzer Zeit besprochen und er­ledigt.» Und einseitige Aussagen gegenüber Menschen aus einzelnen Ländern, das sei «beinahe ausgeschlossen» und bisher noch nie beanstandet worden.

KONFUSE ANTWORT

Dann wird die Antwort etwas konfus. Zunächst streitet das Hotel rundweg ab, dass das Gespräch zwischen Sanchez und dem Perso­nalverantwortlichen V. stattgefunden habe: «Leider fand zu keinem Zeitpunkt eine Kontaktnahme seitens der betreffenden Person statt.» Einige Absätze weiter unten zeigt sich das Hotel dann überzeugt: Sanchez habe wegen einer «Sprachbarriere» die Antwort von V. bloss falsch verstanden. In einem Gespräch, das es gar nie gab?

Immerhin: Kurz vor work-Redaktionsschluss lädt V. Sanchez per Mail zu einem ­«offenen Gespräch» ein. Dieser ist skeptisch: «Bisher hat die Firma nichts unternommen, um das Problem an der Wurzel zu packen.» Bevor er antwortet, will er sich jetzt mit einem Gastgewerbeverantwortlichen bei der Unia austauschen.

1 Kommentare

  1. Maira Bastos 24. August 2024 um 8:40 Uhr

    Es ist interessant, wie unterschiedliche Erlebnisse am selben Ort auftreten können. Ich habe 14 Monate im WaldHotel Arosa gearbeitet, bin Brasilianerin und spreche nicht gut Deutsch. Trotzdem habe ich von Vorgesetzten und Kollegen stets Respekt und Rücksichtnahme erfahren. Ich kann nur dankbar sein für die Gelegenheit, die mir das Hotel gegeben hat. Der stellvertretende Direktor hat mir bei meinen Zweifeln oder Schwierigkeiten immer geholfen, ebenso wie mein Abteilungsleiter. Ich habe unglaubliche Menschen kennengelernt und einen sehr angenehmen Job.

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