20 Jahre Denknetz
Kraftort für linke Menschen und Ideen

Die linke Denkfabrik «Denknetz» wurde 2004 als Antwort auf die neoliberale Schnellstudienfabrik Avenir Suisse gegründet. Doch was hat das «Denknetz» dem neoliberalen Strom entgegenzuhalten? work hat nachgefragt.

IDEEN IM FOKUS: Seit 2004 ein Ort der Vernetzung, Diskussion und Inspiration. (Montage: work)

Mit einem Fest inklusive Ballons, Geburtstagskuchen und Podiumsgespräch feierte das «Denknetz» seinen 20. Geburtstag. Die linke Denkfabrik definiert sich selbst als «Forum für den Austausch zu aktuellen Themen aus Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitspolitik». Doch nur Denken um des Denkens Willen ist nicht das Ziel. Dafür zumindest plädiert die Aktivistin Migmar Dolma am Jubiläums-Podium: «Wir dürfen die echten Probleme der Menschen nicht vergessen. Die Theorie braucht immer den Selbstanspruch, Dinge zu verändern, nur dann ist sie berechtigt.» 

Linke Ermutigung

Dem Fest vorangegangen war der dritte vom Denknetz organisierte «Reclaim Democracy»-Kongress. Nadja Mosimann ist Denknetz-Geschäftsführerin und zieht eine positive Bilanz. «Der Kongress war mit 700 Teilnehmenden ein Erfolg.» Er habe die Breite der Linken gezeigt, aber auch ihre Fragmentierung. 

Das übergeordnete Thema war «Reclaim Hope», Hoffnung zurückfordern. Gab auch der Kongress Grund zur Hoffnung? Er sei für viele Teilnehmende eine Aufmunterung und Ermutigung für die eigene Arbeit gewesen, sagt Denknetz-Leiterin Mosimann. Und, angesichts der aktuellen Weltlage besonders wichtig: «Die Teilnehmenden verharrten nicht in der Krisenanalyse, sondern diskutierten Wege in die Zukunft.» 

Reich an Ideen

Die Anfänge des Denknetzes liegen am Vierwaldstättersee. Im früheren Gewerkschaftsseminarhotel Rotschuo in Gersau SZ traf sich über Jahre hinweg ein kleiner Kreis von kritischen Geistern. Unter ihnen die beiden Ex-Unia-Co-Chefs Vasco Pedrina und Andreas Rieger sowie Ex-SGB-Präsident Paul Rechsteiner. Sie debattierten linke Perspektiven für eine sozialere Schweiz. Dann, im Jahr 2000, wurde Avenir Suisse gegründet, der Think Tank der Konzerne. Dank Millionen-Unterstützung überschwemmt Avenir Suisse seither die politische Diskussion mit (Auftrags-)Studien und Analysen. Immer stramm neoliberal: weniger Staat, mehr Wettbewerb, mehr Privatisierung, mehr Steuersenkungen.

Als Gegenstück zu Avenir Suisse entstand 2004 das Denknetz, viel ärmer an Geld, doch reich an Ideen. Geschäftsleiterin Mosimann sagt: 

Ja, wir sind klein, mit wenig Ressourcen. Aber unser Netzwerk ist gewichtig. Über die Verbandsmitgliedschaften haben wir Zugang zu allen wichtigen linken Organisationen in der Schweiz.

In der Vergangenheit sei es dem Denknetz immer wieder gelungen, politische Themenfelder zu besetzen, wie zum Beispiel bei der Unterstellung von Hausarbeit unter das Arbeitsgesetz. «Aber klar», sagt Mosimann, «wir möchten natürlich mehr erreichen, mehr politische Wirkung erzielen.» Deshalb will das Denknetz nächstes Jahr einen bildungspolitischen Schwerpunkt setzen.

In Zukunft möchte Mosimann mehr Räumen für linksbewegte Menschen schaffen. «Das Denknetz soll ein Ort werden, zu dem alle mit neuen, linken Ideen hingehen wollen.»


Denkfabrik: Mehr als Übungen in schöngeistigen Turnhallen? Vier Fragen an Philipp Müller, Denknetz-Übergangspräsident und Unia-Präsidialsekretär

Philipp Müller. (Foto: Unia)

work: Was hat das Denknetz bisher erreicht?

Philipp Müller: Das Denknetz ist mit rund 1500 Mitgliedern präsent und der jüngste Kongress war ein Erfolg. Wichtig ist auch der sozialpolitische Reformvorschlag einer allgemeinen Erwerbsversicherung (AEV). Damit hat das Denknetz eine zukunftsweisende Perspektive für eine progressive Verbindung zwischen Lohnarbeit, Erwerbsausfall und Sicherung einer guten Altersvorsorge  aufgezeigt.

Erfolgreich ist auch die Vernetzung mit wichtigen Organisationen. Im heutigen Vorstand sitzen die Grünen Nationalrätin Franziska Ryser, SP-Nationalrat Jon Pult, die Wissenschaft, die Unia und der SGB sind ebenfalls vertreten. Und mit Jovita dos Santos haben wir das Glück, eine Forscherin zur feministischen Theorie und dem Postkolonialismus in der Schweiz in unseren Reihen zu zählen.

Wie gelingt dem Denknetz Wirksamkeit, damit die Diskussionen nicht linke Turnübungen bleiben?
Das ist die grösste Herausforderung. Das Denknetz ist eine Referenz für Diskussionen und Reformvorschläge im Bereich Sozialpolitik und Service Public, die über die tagespolitische Agenda hinausreichen. Dies jedoch hauptsächlich innerhalb der der Deutschschweizer Linken. Doch Wirksamkeit über die Linke hinaus bleibt ein Ziel. Mit gewissen Publikationen, insbesondere über die AEV, ist dies in der Vergangenheit gelungen. Aktuell wollen wir mit einer Debatte um die «Unschädlichmachung der Schweiz» mehr Resonanz erreichen.

Was ist mit dieser «Unschädlichmachung» gemeint?
Es gibt verschieden schädliche Rollen, die ein Teil der Schweiz einnimmt. Zum Beispiel der Finanzplatz, der noch immer Steuerhinterziehung begünstigt, oder Firmen, die mit Rohstoffen spekulieren, oder Multis, die zwecks Steueroptimierung ihren Hauptsitzt in die Schweiz verlegen. Indem die Schweiz dies zulässt, richtet sie in anderen Ländern Schaden an. Weil dort Steuern fehlen, weil Menschen durch Rohstoffgewinnung ausgebeutet werden, weil Diktatoren ungestraft ihr Vermögen in der Schweiz deponieren können.  Die Schweiz soll solidarischer und demokratischer werden. 

Was will und kann das Denknetz sein, jetzt und in Zukunft?
Ein Ort der offenen und konstruktiven Debatte zwischen Menschen mit progressiven Grundüberzeugungen, welche zu wichtigen Themen wie Umverteilung, Bewältigung der Klimakrise, Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung und zum Ausbau des Service Public gemeinsame Lösungsansätze und Perspektiven aufzeigen.

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