Die Schweiz steht wegen gewerkschaftsfeindlicher Kündigungen international am Pranger
Hoppla, jetzt will Parmelin doch wieder verhandeln

Der Druck der Gewerkschaften zeigt Wirkung: Der Bundesrat will die Mediation zum Kündigungsrecht wieder aufnehmen. Vor 10 Monaten hatte SVP-Volkswirtschaftsminister Guy Parmelin sie auf Druck der Arbeitgeber abgebrochen.

NICHT BETEN, SONDERN HANDELN: Bundesrat Guy Parmelin muss endlich etwas gegen die antigewerkschaftlichen Kündigungen unternehmen. (Foto: Keystone)

Der Kündigungsschutz in der Schweiz ist lausig. Ältere, schwangere und kranke Arbeitnehmende sind ungenügend geschützt. Und überhaupt nicht geschützt vor willkürlichen Entlassungen sind Lohnabhängige, die sich für die Rechte und Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Das widerspricht völkerrechtlichen Standards.

Allein 2023 wurden in der Schweiz 21 Fälle von gewerkschaftsfeindlichen Entlassungen dokumentiert. In Wirklichkeit dürften es sehr viele mehr sein. Denn der Bund führt dazu keine Statistik – im Unterschied etwa zu den Beständen an Ziegen und Rehpinschern.

Schwarze Liste

Seit Jahrzehnten weigern sich die Arbeitgeber stur, den fehlenden Schutz für gewerkschaftlich aktive Arbeitnehmende zu verbessern. So stur, dass der Gewerkschaftsbund 2003 eine Klage deponierte. Denn die Schweiz hat zwar die entsprechende Konvention Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert, setzt sie aber nicht um. Das geht auf Dauer nicht. Die Schweiz wurde seit 2003 mehrfach gerügt. Doch der Bundesrat pfiff darauf. Irgendwann war die Geduld der ILO am Ende. Und sie setzte die Schweiz 2019 auf die schwarze Liste jener Länder, die die Gewerkschaftsfreiheit nicht respektieren.

Parmelin kuscht vor Bossen

Dann passierte doch etwas. SVP-Bundesrat Guy Parmelin startete noch im gleichen Jahr einen Vermittlungsprozess zwischen Bund, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. An diesem runden Tisch sollten Lösungen definiert werden, um auch in der Schweiz die internationalen Standards beim Kündigungsschutz für gewerkschaftliche Vertrauensleute einzuhalten.

Im November 2023 «suspendierte» Parmelin diese Mediation auf Druck der Arbeitgeber einseitig und unbegründet. Faktisch war es ein Abbruch. Unia-Präsidentin Vania Alleva sagte damals:

Das Scheitern ist auf die unverantwortliche Haltung des Arbeitgeberverbandes und die Mutlosigkeit des Bundesrates zurückzuführen. Es ist skandalös, dass sie den Schutz der Arbeitnehmenden vor missbräuchlicher Kündigung nicht einmal auf das international anerkannte Minimum heben wollen.

Nicht zuletzt als Folge dieses Verhandlungsabbruchs stürzte die Schweiz im jährlich erarbeiteten «Globalen Rechtsindex» des Internationalen Gewerkschaftsbundes ab. Die im Juni veröffentlichte aktuellste Ausgabe führt die Schweiz neu in der Kategorie «regelmässige Rechtsverletzungen». Ein Schämer der Extraklasse für die selbsternannte Demokratie-Musterschülerin.

Gewerkschaften machen Druck

Im August trafen sich mehrere Opfer von missbräuchlichen Kündigungen mit Bundesrat Parmelin. Begleitet wurden sie von Unia-Präsidentin Vania Alleva und Luca Cirigliano, Zentralsekretär für Arbeitsrecht und Internationales beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund.

KLARE FORDERUNGEN: Unia-Präsidentin Vania Alleva hat mit einer Gewerkschaftsdelegation den Bundesrat besucht. (Foto: Unia)

Gemeinsam forderten sie den Bundesrat auf, das Problem der antigewerkschaftlichen Kündigungen endlich in den Griff zu bekommen. Vania Alleva sagte nach dem Treffen zur beschämenden Situation für die Schweiz:

Es ist betrüblich, dass der Bundesrat den Stier nicht bei den Hörnern packt. Seit 20 Jahren ist klar, dass die Schweiz über einen absolut unzureichenden Schutz vor Entlassungen verfügt und dringend handeln muss.

Der Druck wirkt

Die Blamage im internationalen Rating und der Druck der Gewerkschaften scheinen zu wirken. Denn jetzt will der Bundesrat die Mediation wieder aufnehmen. Der SGB «begrüsst» diesen Entscheid:

Der SGB wird sich mit Nachdruck für eine wirksame Verbesserung des Kündigungsschutzes einsetzen. Denn eines ist klar: Die Probleme jener Arbeitnehmenden, die sich für gute Arbeitsbedingungen in den Betrieben einsetzen, lassen keine weitere Verzögerung zu.

Gleichzeitig ist den Gewerkschaften auch klar: Sollten die Arbeitgeber weiter auf Zeit spielen und der Bundesrat dieses Spiel wieder mitmachen, ist eine Initiative für besseren Kündigungsschutz rasch lanciert. Entsprechende Kongressbeschlüsse sind längst gefasst.

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