Von Prämien, Stahl und Parmelin

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Klar, Gesundheit ist unser höchstes Gut. Klar, möchten wir alle die bestmögliche Behandlung. Klar, kostet das was. Aber zum Glück leben wir in einem der reichsten Länder der Welt, mit einer hervor­ragenden medizinischen Versorgung. So weit, so klar, so wunderbar, möchte man denken. Natürlich weit gefehlt. Zwar sind die generellen Gesundheitskosten vergleichbar mit jenen unserer Nachbarländer. Aber der Anteil, den die Lohnabhängigen daran tragen, ist völlig überrissen. Und jetzt will eine bürgerliche Mehrheit, getrieben von der Versicherungslobby, via EFAS noch mehr Kosten auf die Prämienzahlenden überwälzen.

OH, WEH!

Ohnehin steigen die Prämien so sicher, wie die Herbstblätter fallen. Nächstes Jahr um 6 Prozent, gab das Bundesamt für Gesundheit bekannt. Die durchschnittliche Prämie wird gut 38 Prozent mehr betragen als noch vor zehn Jahren. Der höchste Anstieg liegt bei 200 Prozent im Vergleich zu 2015. Das hat die Vergleichsplattform Moneyland berechnet. 200 Prozent! Und dieses Geld ist weg, bevor wir auch nur einen Fuss in eine Arzt­praxis gesetzt haben. Hinzu kommen Franchise, Selbstbehalt, Medikamente. Und wehe, ein Zahn tut weh, dann gibt’s ein Loch im Portemonnaie.

OH, JE!

Kein Wunder, lösen die Saläre der Krankenkassen-CEO gelinde gesagt Emotionen aus. Fast eine Million garniert Sanitas-Chef Andreas Schönenberger. Bei CSS-Chefin Philomena ­Colatrella sind’s immerhin noch knapp 800 000 Franken. Die CSS-Reserven sind übrigens in den letzten drei Jahren um rund eine Milliarde Franken geschrumpft. Kein Grund zur Sorge für die CSS. Sprecherin Sidonia Küpfer sagt der «HZ Insurance», es brauche jetzt nicht etwa einen Sparkurs, sondern lediglich «kostendeckende Prämien für das kommende Jahr». Soll heissen: Die CSS erhöht die Prämien für ihre 1,5 Millionen Versicherten im Schnitt um 8,6 Prozent statt «nur» um 6 Prozent. Gleichzeitig betont Küpfer, die CSS pflege «stets einen haushälterischen Umgang mit den Prämiengeldern». Fragt sich: haushälterisch für welchen Haushalt? Vielleicht für Colatrellas Villa? Ganz klar haushälterisch-wählerisch ist der Bundesrat. Bei den Banken ist seine Rettungs­bereitschaft hoch, in der Industriepolitik eher weniger. So hat er untätig zugeschaut, als die letzte Glasflaschenfabrik ihre Tore schloss und 180 Büezerinnen und Büezer auf die Strasse stellte. Gewissenhaft bringen zwar alle ihr Glas zu den Sammelstellen. Doch das Altglas wird jetzt Hunderte Kilometer weit gekarrt. Ein Bruchteil davon kehrt als Glas zurück. Von Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz keine Spur. Dabei würde der Bundesrat über die gesetzlichen Grundlagen verfügen, das Glasrecycling in der Schweiz wieder anzukurbeln, wie SBG-Präsident und Ständerat Pierre-Yves Maillard in einer Motion in Erinnerung ruft.

OH, GUY!

Ähnlich mutlos sieht’s beim Stahlrecy­cling aus. Wieder streicht das Stahlwerk Gerlafingen Stellen, 120 Büezerinnen und Büezer verlieren ihren Job. Und wieder schaut der Bundesrat zu. SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin erklärt trotzig: «Diese Branche ist nicht systemrelevant.» Dabei ist doch sonnenklar: Für den Aufbau der klimaschonenden Wind- und Solarenergie braucht es Stahl. Und Gerlafingen ist das einzige Werk in der Schweiz, das Stahl rezykliert. Jetzt wird das Werk kühlgestellt, die verbleibenden Stahlarbeiterinnen und -arbeiter in Kurzarbeit geschickt. Doch Darija Knežević konnte noch einen Augenschein nehmen von stiebenden Funken und dampfendem Stahl – und mit der konsternierten Belegschaft sprechen.

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