500 Jahre Schlüsselübergabe des Zürcher Fraumünsters
Katharina von Zimmern: Herrin, Äbtissin, Mutter

Als Herrin von Zürich bewahrte sie die Stadt vor Blutvergiessen und auch ihre Unabhängig­keit: Katharina von Zimmern, ­Äbtissin des Fraumünster­klosters. Doch dann geriet sie in Vergessenheit, vergraben unter einer dicken Schicht Männergeschichte.

KÜHNE KLOSTERFRAU: Katharina von Zimmern hat die Geschichte von Zürich massgebend mitgeprägt, ein Bild von ihr gibt es aber nicht. Diese Darstellung wurde mit KI erstellt. (Foto: zvg / Zürcher Altstadtkirchen /  KI-generiert)

Es ist das Jahr 1524, und Zürich hält den Atem an: In Wipkingen zerschlagen Zwingli-Anhänger ­Bilder von Heiligen und versenken sie im See. In ­Ittingen stürmen Bauern das Kloster. Die Ideen des Reformators Huldrych Zwingli gewinnen in Windeseile an Popularität. Er setzt auf das Wort allein, das Evangelium, verbannt Orgeln und Altäre aus den Kirchen. Und er kämpft gegen das weitverbreitete Söldnertum. Die alte Eidgenossenschaft und die katholische Kirche halten gegen die Reformation und am wirtschaftlich und politisch wichtigen Söldnertum fest. Zürich steht vor einem Krieg um den rechten Glauben.

65 Eimer Wein

Jetzt hängt alles davon ab, was die Herrin von ­Zürich tut. 1524 heisst sie Katharina von Zimmern, Äbtissin des Fraumünsters. Seit drei Jahrhunderten schon ist die jeweilige Fraumünster-Äbtissin zugleich Stadtherrin. Ihr Bild ist auf Münzen ­geprägt, dem Kloster gehören zahlreiche Höfe, Mühlen, Stadthäuser. Die Äbtissinnen heissen Könige willkommen, verfügen über Begnadigungen und über Asyl. Katharina von Zimmern hat die Abtei finanziell saniert, umgebaut und ihre Wohnung mit teils frivolen Motiven geschmückt. Angesichts der Bedrohung durch die Reformatoren könnte die mächtige Kirchenfrau katholische Truppen zu Hilfe rufen. Doch Katharina, den Ideen der Reformation zugeneigt, entscheidet sich gegen die ­Kirche. Und verhindert damit ein Blutvergiessen. In einer auf den 8. Dezember 1524 datierten Urkunde übergibt sie das Kloster mitsamt seinen Reichtümern dem Zürcher Rat, ohne Zwang, wie sie schreibt. Katharina von Zimmern gibt ihre Macht ab, nicht aber ihre Eigenständigkeit. So ­behält sie ihre Wohnung im Kloster, einen Gemüsegarten, pro Jahr eine vereinbarte Menge an Brennholz, 353 Pfund Zürcher Währung und 65 ­Eimer Wein (etwa 7000 Liter).

Kind im Kloster

Katharina von Zimmern musste als Mädchen ihr herrschaftliches Schloss im deutschen Messkirch verlassen, weil ihr Vater beim Kaiser in Ungnade gefallen war. Mit 13 Jahren gab der Vater sie ins Fraumünsterkloster, mit 18 wurde sie Äbtissin, führte das Kloster 28 Jahre lang. Danach heiratete sie! Ausgerechnet den verarmten Söldnerführer Eberhard von Reischach. Ihn kannte sie bereits, als sie ins Fraumünsterkloster eintrat. Gut möglich, dass er auch der Vater ihrer ersten Tochter war, die sie als Äbtissin wohl hinter den Klostermauern gebar.

Reiche, mächtige Frauen

Katharina von Zimmern und ihre Vorgängerinnen gerieten in Vergessenheit, begraben unter einer dicken Schicht Männergeschichte. Bis sie eine Frauengruppe vor 20 Jahren wiederentdeckte. Jetzt, 500 Jahre nach der «Schlüsselübergabe», widmet die Stadt Zürich der Äbtissin zahlreiche Veranstaltungen und einen zweiten Turm am Fraumünster. Dabei ist die Aufhebung des Klosters nicht nur Grund zum Feiern, zumindest nicht für die Frauen. Denn Klöster waren im mittelalterlichen Europa oft die einzige Möglichkeit, vom vorgezeichneten Weg als Ehefrau und Mutter abzuweichen. Viele Klöster verfügten über grosse Macht. Die Herrschenden gründeten Klöster an strategisch wichtigen Orten und besetzten deren Spitzen mit loyalen Frauen und Männern. Und nicht selten verfügten die Klöster über veritable Vermögen, nicht von ­Gottes Gnaden, sondern von Frauen-Gaben. Klosterfrauen gingen beim Aufbau ihres Vermögens zielstrebig und strategisch vor, wie die Historikerin Annalena Müller am Beispiel des Frauenklosters Klingental in ­Basel zeigt:

In allen relevanten Wirtschaftszweigen ihrer Zeit waren die Frauen aktiv und gingen dabei äusserst umsichtig vor. Manch ein CS-­Manager hätte wohl von ihnen lernen können.

Irgendwie passend, dass Bundesrätin und Bankenretterin Karin Keller-Sutter anlässlich der Jubi­läumsfestlichkeiten eine Rede über ihre «Tat­momente» hält.

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