Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Vor drei Jahren war er ein einsamer Rufer in der Wüste des ökonomischen Unverstandes: SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Niemand mochte damals so richtig in seine Kritik an der Nationalbank einstimmen. Lampart warnte und warnte und warnte. Bereits einen Monat nach der plötzlichen Aufhebung des Frankenmindestkurses erklärte er im work: «Mit dem Mindestkurs waren die Arbeitnehmenden sicher. Ohne Untergrenze kommen sie unter Druck.» Und so kam es: Ohne Frankenschock hätte die Schweiz heute 100’000 Arbeitsplätze mehr. Das schätzt der St. Galler Wirtschaftsprofessor Franz Jaeger und fordert einen neuen Mindestkurs. Es stand im work. Jaeger kritisiert aufgrund von Untersuchungen der Uni St. Gallen die falsche Geldpolitik von Nationalbank-Chef Thomas Jordan. Und nicht nur er.
SNB-Kritiker Lampart bekommt Recht
Selbst Jordans oberster Chef, Bundesrat Johann Schneider-Ammann findet, ein fairer Frankenkurs läge «klar über 1.20 Franken». Zwar hat der Volkswirtschaftsminister nie etwas gegen den überbewerteten Franken getan. Doch seine Kritik an Jordans Kurs ist massiv, wenn auch indirekt. Nach drei Jahren Lohndruck, Arbeitsplatzabbau, und Einkaufstourismus bekommt Lampart, bekommen die Gewerkschaften, Recht. Die Aufhebung des Mindestkurses war ein Riesenfehler und verheerend für die Schweiz. Im grossen work-Interview (Seite 3) über den Aufschwung gibt Daniel Lampart sich zwar bescheiden, aber der politische Umschwung ist ein, auch sein Erfolg!
Krawatte. Da platzt mitten in diese Franken-Wende die NZZ. Mit einem ganzseitigen Porträt über SNB-Chef Jordan. Nationalbank-Hofschreiber Peter A. Fischer erzählt darin aus dem prallen Leben des obersten Geldpolitikers. Dass dieser bereits im Gymnasium gelernt habe Bilanzen zu lesen, was ihm bis heute helfe. Und dass er «praktisch an jedem Arbeitstag eine Krawatte» trägt. Er damit aber «keine grosse Mühe» hat. Locker vom Hocker geht’s dann via Rettung der crashenden UBS («extrem komplexe Operation») zur Aufhebung des Frankenmindestkurses («unangenehmer, aber unabdingbarer Entscheid»). Und zündet in der Feststellung: «Überhaupt fühlt sich Jordan in seiner Aufgabe als Nationalbankpräsident sichtlich wohl.»
Beschwörung? Liebe NZZ, was zum Teufel soll dieser naiv-erotische Schüleraufsatz? Soll er Jordan aufpäppeln? Ihn gar beschwören, nicht aufzugeben? Ist der Mann vielleicht auf dem Absprung, jetzt, wo seine Kritikerinnen und Kritiker Überhand nehmen? work bleibt dran.