1000 Mitglieder des noblen Zürcher Efficiency Club applaudieren der AfD-Chefin Alice Weidel. Auch die Medien sind begeistert. Was bedeutet das? Und was steckt hinter diesem Club?

DA APPLAUDIERT SIE GLEICH MIT: Die gut gelaunte AfD-Führerin Alice Weidel (mitte) auf der Bühne mit Nebelspalter-Chefredaktor Markus Somm (l.) und Ex-SRF-Moderator Reto Brennwald (r.). (Foto: efficiency.ch)

Da kommen einem doch glatt die Glückstränen! «Alice Weidel macht ihrer Frau auf der Bühne eine Liebeserklärung», titelt die «Sonntagszeitung». Nicht weniger begeistert ist «20 Minuten»: «Alice Weidel spricht über ihre Ehefrau: ‹Sarah, ich liebe dich!›.» Und auch die CH-Media-Titel lobhudeln wacker mit:

Von einer «ungewohnt privaten Seite» habe sich die Co-Fraktionschefin der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) gezeigt. Damit habe die 45jährige für das «Highlight» des ganzen Abends und «viel Applaus» gesorgt.

Zugetragen hat sich die Darbietung letzten Samstag im Zürcher Kongresshaus. Dort versammelten sich auf Einladung des Zürcher Efficiency Club rund 1000 Damen und Herren, die sich zur feineren Gesellschaft zählen. Auf der Teilnehmerliste, die work vorliegt, finden sich zahlreiche CEO, Verwaltungsratspräsidenten, Firmeninhaber, Bankiers, Direktoren, Manager, Anwälte, Ärzte… überwiegend Schweizer Männer, viele wohnhaft an der Zürcher Goldküste oder in einer der zahlreichen helvetischen Steueroasen. Sie alle haben 150 bis 200 Franken hingeblättert, um beim Stelldichein dabei zu sein. Für nochmals 190 Franken war auch ein Dinner im Luxustempel Park Hyatt inbegriffen – und damit die Möglichkeit, mit den teils illustren Rednerinnen und Rednern ins direkte Gespräch zu kommen. Denn Medienliebling Weidel stand nicht allein auf der Bühne.

Eine illustre (Männer-)Runde

Vor ihr sprachen etwa: Axpo-CEO Christoph Brand über «Verteidigung im Cyber-Zeitalter», der libertäre Bitcoin-Millionär und Zuger Palastbesitzer Niklas Nikolajsen über sein «visionäres Erfolgsrezept», Hugo-Boss-CEO Daniel Grieder über sein «erfolgreiches Comeback» oder Stadler-CEO und Grossinvestor Peter Spuhler über «Herausforderungen des Exportmarktes». Der Zürcher Psychiater Frank Urbaniok wiederum warb für sein neustes Mantra («Schluss mit der Migrationsromantik!»), und Ökonom Hans-Werner Sinn, bescheiden angekündigt als «Prof. em. Dr. Dr. h. c. mult.», dozierte, wie Europa «dem Rauschgift Staatsschulden verfallen» sei. Abzockerlegende Joe Ackermann plauderte mit dem neuerdings unverblümten Putin-Bewunderer Roger Köppel. Und TV-Promi Martin Lanz entlockte der Militärstrategin Florence Gaub, wie sich mit einem «positiven Mindset» die Zukunft meistern lasse.

ABZOCKERLEGENDE UND PUTIN-BEWUNDERER: Joe Ackermann (l.) im Gespräch mit Roger Köppel. (Foto: efficiency.ch)

Viel Applaus für eine rechtsextreme…

Stargast des Abends war aber offenbar Alice Weidel. So berichteten die Tamedia-Zeitungen ausschliesslich über sie. Und sie hoben den wiederholten und «grossen Applaus» hervor, den die AfD-Führerin geerntet habe. Das lässt tief blicken. Schliesslich führt Weidel eine Partei, die nicht nur immer mächtiger, sondern auch immer rechter wird. Die Gründer haben ihre Partei längst angewidert verlassen. Selbst der deutsche Verfassungsschutz bezeichnet heute mehrere Landessektionen, Parteiexponenten und die gesamte «Junge Alternative» als «gesichert rechtsextrem». Erst vor einer Woche verhaftete die Polizei, teils nach Schusswechseln, mehrere Mitglieder der Parteijugend. Ihnen wird vorgeworfen, eine rechtsterroristische Vereinigung namens «Sächsische Separatisten» gegründet zu haben. Der Thüringer AfD-Führer und Möchtegernkanzler Björn Höcke hatte mit den mutmasslichen Terroristen 2022 für ein Foto posiert. Höcke selbst darf seit einem Gerichtsurteil öffentlich als «Faschist» tituliert werden.

…und kluge Taktikerin

Wer nun aber glaubt, Weidel hetze weniger aggressiv als Höcke, soll sich ihre zahlreichen Hasstiraden im Bundestag anschauen. Sie belegen eher das Gegenteil. Doch die promovierte Wirtschaftswissenschafterin und einstige Unternehmensberaterin ist klug genug, sich vor allzu eindeutigen Anleihen am braunen Erbe zu hüten. Das verkauft sich – zumindest ausserhalb der eingesottenen Parteibasis – besser, zumal Weidel mit einer dunkelhäutigen Frau zusammenlebt. Also kürte die Partei sie zur Kanzlerkandidatin, Höcke zog den Kürzeren. Ihre Absichten verhehlt die Taktikerin deswegen noch lange nicht. Erst kürzlich sagte sie über Donald Trump: «Natürlich ist er ein Vorbild für uns!» Und als Anfang Jahr das Potsdamer Geheimtreffen von Rechtsextremen, AfD-Funktionären und CDU-Mitgliedern aufflog, verteidigte Weidel die dort geplante «Remigration» – also die massenhafte Deportation von Ausländern und «nicht assimilierten» Staatsbürgerinnen – gegen jede Kritik.

Namhafte Firmen als Geldgeber

Dieser Politikerin also applaudiert am Zürichsee ein proppenvoller Saal schwerreicher Schweizerinnen und Schweizer. Was heisst das? Sicher, die Einladung Weidels macht ihre Positionen weiter salonfähig (und ihr Portemonnaie prall: 30 Minuten Redezeit hatte der Efficiency Club in der Vergangenheit mit 4000 Franken vergütet). Die unkritischen Medienberichte wiederum tragen weiter zur Banalisierung und Normalisierung des Rechtsextremismus bei. Aber spiegelt der Efficiency Club wirklich die aktuelle Gemütslage der hiesigen Bourgeoisie? Immerhin sind unter den Club-Sponsoren renommierte Unternehmen wie Raiffeisen, Zürich-Versicherung, Victorinox, BMW oder die Swiss. Und in den letzten Jahren hat sich im Club so ziemlich alles die Hände geschüttelt, was im rechtsbürgerlichen Establishment Rang und Namen hat. Sogar ein paar Linke hat man hin und wieder eingeladen. Doch unter dem Strich dominiert eine politische Tendenz, die eher zur schrillen «Weltwoche» passt als zur vornehmen NZZ. Davon zeugen auch diverse Kooperationen. Etwa jene von 2018, als Roger Köppel und der Efficiency Club Steve Bannon nach Zürich holten, den rechtsradikalen Eiferer und ehemaligen Strategieberater Trumps. Von solchen Gestalten halten sich die meisten Bürgerlichen nach wie vor fern.

STOLZ ÜBER RECHTSRADIKALEN BESUCH: Roger Köppel (r.) präsentierte dem Publikum 2018 den früheren Trump-Chefstrategen Steve Bannon. (Foto: Keystone)

Weidel soll regierungstauglich werden

Trotzdem wäre Entwarnung fehl am Platz. Denn was einige Kapitalfraktionen heute insgeheim wollen, spricht etwa ein Markus Somm längst offen aus. Der «Nebelspalter»-Chefredaktor und Tamedia-Kolumnist hatte Weidel beim Efficiency Club interviewt – zusammen mit dem selbsternannten «Corona-Massnahmenskeptiker» und Ex-SRF-Moderator Reto Brennwald.

HATTEN SPASS: Alice Weidel und Moderator Reto Brennwald. (Foto: efficiency.ch)

Somm schwärmt für Weidel. Doch er mahnt auch: Sie müsse ihre AfD von den eindeutigen Nazis säubern, den Geschichtsrevisionismus aus dem Parteiprogramm streichen und die Russlandfreundlichkeit aufgeben. Denn:

Sonst werden Sie nie in die Regierung kommen!

Genau das aber sei dringend nötig, so Somm, denn CDU und FDP alleine brächten keine «neue Mehrheit der rechten Mitte» zustande.

«Effizienz» auch mit Nazi-Methoden

Entwarnung wäre aber auch deshalb nicht angezeigt, weil der Efficiency Club schon in seinen Anfängen auch für faschistische Ideen empfänglich war. Gegründet wurde der Club 1936 von drei enthusiastischen Amerikafans: dem Bankkaufmann und Unternehmensberater Hermann Stokar, dem Sekretär des Schweizerischen Zentralverbandes der Arbeitgeberorganisationen und Redaktor der «Arbeitgeberzeitung» Friedrich Bernet und dem Versicherungsmakler, späteren Wirtschaftsprofessor und Maschinenindustriellen Christian Gasser. Mit ihrem neuen Club wollten sie die in den USA boomenden Methoden «effizienter» Geschäftsorganisation in die Schweiz importieren und hier unter Kaderleuten populär machen. Der Zürcher Pädagogikprofessor Michael Geiss hat den Club erforscht. Er schreibt:

Ideologisch war diese Vereinigung zur Selbstunterrichtung einigermassen heterogen. Man schaute nach Osten, nach Norden und über den Atlantik, um etwas über die Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit zu lernen, wobei es keine Berührungsängste gegenüber den faschistischen oder nationalsozialistischen Ansätzen gab.

Tatsächlich war bereits einer der ersten Vortragsredner des Efficiency Club ein Bewunderer des Faschismus. Nämlich Aymon de Mestral, Journalist aus Lausanne. Nach der Machtübertragung an Hitler war er vom «nationalen Widerstand» derart angetan, dass er eine Reihe von Lobeshymnen auf die Schweizer Frontenbewegung veröffentlichte.

Zwei von drei Club-Gründern waren rechtsextrem

Dies war ganz im Sinn von Club-Mitgründer Christian Gasser. Er trat 1938 sogar der «Eidgenössischen Aktion» bei. Diese frontistische Minipartei, einst gegründet, um die Einführung der AHV zu verhindern, kämpfte gegen Parlamentarismus, Staatseingriffe in die Wirtschaft und den «jüdischen Bolschewismus». Statt eines Sozialstaats verlangte sie einen Führerstaat. 1940 war Gasser zudem einer der Gründer des Gotthardbunds, später sogar dessen Sekretär. Diese grossbürgerliche Vereinigung wollte den Wehrwillen stärken, indem alle wirtschaftlichen und politischen Konflikte im Innern beigelegt werden sollten. Der Gotthardbund plädierte für eine autoritäre Demokratie und eine korporatistische Wirtschaftsordnung wie sie etwa Mussolinis Italien kannte. Juden und Freimaurer waren von einer Mitgliedschaft im Bund ausgeschlossen.

Auch Club-Gründungsmitglied und Arbeitgebersekretär Friedrich Bernet (FDP) betätigte sich einschlägig. 1940 gehörte er zu den Unterzeichnern der berüchtigten «Eingabe der Zweihundert». Darin forderten knapp 200 Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft vom Bundesrat mehr Respekt vor dem Dritten Reich. Zudem sollten die Chefredaktoren der führenden Schweizer Zeitungen, darunter der NZZ, der «Basler Nachrichten» und des «Bundes», ausgewechselt, der Völkerbund (heute Uno) aus der Schweiz geworfen und alle faschismuskritischen Beamtinnen und Beamten aus dem Staatsdienst entlassen werden.

All das verschweigt der Efficiency Club heute tunlichst. Aber es scheint ganz, als hätte er nun definitiv wieder zu seinen Wurzeln gefunden.

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