Schweizer Stahlindustrie im Strudel der fehlenden Industriepolitik
Massenentlassung: Stahlwerk in Emmenbrücke will 130 Stellen streichen

Nach Stahl Gerlafingen hat nun auch die Steeltec AG in Emmenbrücke LU die Streichung von 130 Stellen angekündigt. Die Unia fordert von den Stahlkonzernen vorerst den Verzicht auf Massenentlassungen. Denn aus der Wirtschaftskommission des Ständerates kommt ein wichtiges Zeichen der Hoffnung. 

BEDROHT: Im Stahlwerk in Emmenbrücke will die Swiss Steel Group 130 Stellen streichen. (Foto: Keystone)

Die Steeltec AG will in ihrem Stahlwerk in Emmenbrücke LU 130 von 750 Stellen abbauen. 80 Mitarbeitende sollen entlassen werden, wie das Unternehmen heute angekündigt hat. Die Massenentlassung ist Teil eines Restrukturierungsprogramms der Swiss Steel Group, bei dem europaweit 800 Stellen gestrichen werden sollen. 

Kurzarbeit statt Massenentlassungen

Matteo Pronzini Branchenleiter der MEM-Industrie bei der Unia sagt:

Die Steeltec AG muss vorerst auf Entlassungen verzichten und die politischen Entscheide abwarten, die bis Ende Jahr fallen müssen.

Diese Forderung geht auch an Stahl Gerlafingen, wo ebenfalls 120 Stellen wegfallen sollen. Die Stahlkonzerne könnten ihre Krisensituation weiterhin mit Kurzarbeit überbrücken. Denn es besteht die Hoffnung, dass der Bundesrat doch noch aktiv werden muss. Mehrere Vorstösse, welche die Rahmenbedingungen für die Schweizer Stahlwerke verbessern würden, sind im Parlament bereits aufgegleist. Und aus der Wirtschaftskommission des Ständerates kommt heute ein wichtiges Zeichen der Hoffnung.

Kommission will Sofortmassnahmen

Gleich drei Vorstösse zur staatlichen Unterstützung der Stahlindustrie wurden an der gestrigen Sitzung behandelt. Der Vorstösse von Franziska Roth (SP) und Christian Imark (SVP), die vom Bundesrat Sofortmassnahmen zur Rettung des Stahlwerks Gerlafingen verlangen, wurden in der Kommission ganz knapp angenommen. Die Motion von Damian Müller (FDP) wurde sogar deutlich mit 8 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Sie beauftragt den Bundesrat eine Übergangsfinanzierung für die Stahlindustrie zur Verfügung zu stellen, um den Produktionsstandort Schweiz zu sichern und die Kreislaufwirtschaft zu erhalten.

Industriepolitik ohne «Industriepolitik»

Die Kommission schreibt:

Auch wenn man eine Industriepolitik grundsätzlich nicht befürwortet, ist angesichts der existentiellen Bedrohung der beiden Stahlwerke Gerlafingen und Emmenbrücke Handlungsbedarf gegeben.

Im Interesse der Versorgungssicherheit des Landes und der Nachhaltigkeit müssten Rahmenbedingungen für die Schweizer Stahlindustrie geschaffen werden, die ihr eine Weiterexistenz erlauben.

Tausende Jobs und Kreislaufwirtschaft bedroht

In der Wintersession Anfang Dezember wird sich zeigen, ob das Parlament die Vorentscheide der Kommission stützt. Falls dies der Fall ist, liegt es am Bundesrat diese Aufträge des Parlaments umzusetzen. Denn nicht nur aus allen Parteien und den betroffenen Regionen kommt der Ruf nach einer staatlichen Unterstützung der Stahlwerke. Die Allianz aus Stahlarbeitern, Gewerkschaften, Industriebetrieben, Klimastreik und Branchenverbänden sowie Dachorganisationen wie Metall.suisse kann nicht weiter ignoriert werden.

DIE FASSADE BRÖCKELT: Die Büezerinnen und Büezer der Steeltec AG bangen um ihre Jobs. (Foto: Keystone)

Denn nicht nur die über 1000 Jobs in den beiden Stahlwerken sind akut bedroht. Andreas Steffes, Geschäftsführer von Metall Suisse, sagt:

Der Bundesrat nimmt eine Zuschauerhaltung ein und setzt damit eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und eine Wertschöpfungskette mit eingespielten Abläufen und Tausenden von hochspezialisierten Arbeiterinnen und Arbeitern aufs Spiel.

Swissmem bedauert Stellenabbau

Swissmem, der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, dem auch Stahl Gerlafingen und Swiss Steel angehören, will in der liberalen Tradition des Verbandes weiterhin keine Industriepolitik. Auf Anfrage von work schreibt Swissmem:

Wir bedauern den Stellenabbau im Werk von Swiss Steel in Emmenbrücke sehr. Für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das ein harter Schlag. Wir sind überzeugt, dass Swiss Steel im Rahmen seiner Möglichkeiten den Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich umsetzen wird. Angesichts des Fachkräftemangels in der Schweizer Tech-Industrie gehen wir davon aus, dass die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell wieder eine neue Anstellung finden werden – auch wenn das zurzeit für sie ein schwacher Trost sein dürfte.

Metal Suisse und die Verbände der Metallindustrie

Metal Suisse ist die Dachorganisation der Metallbranche und umfasst acht Mitglieder: den Schweizerischen Stahl- und Haustechnikhandelsverband (SSHV), den Verband Schweizerischer Edelstahl- und Metallhändler (VSEMH), den AM Suisse, das Stahlbau Zentrum Schweiz (SZS), den Schweizerischen Verein für Schweisstechnik (SVS), die Schweizerische Zentrale Fenster und Fassaden (SZFF), den Aluminium-Verband Schweiz (Alu.ch), den Branchenverband der schweizerischen Aluminiumindustrie sowie Swiss Inox. Metal Suisse vertritt die gesamte Wertschöpfungskette der metallischen Werkstoffe und setzt sich für den Erhalt der Schweizer Stahlwerke als Recyclingstandort und Grundversorger ein.

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