Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Zugegeben, manchmal kippt die Welt ins Dunkel. Und damit ist nicht nur diese Jahres­zeit gemeint, in der es morgens auf dem Weg zur Büez noch finster ist und abends auf dem Heimweg schon wieder. Sondern auch elende Kriege, die tödliche Klimakrise und die zunehmenden Geld­sorgen der vielen bei gleichzeitig wachsenden Geldbergen von Einzelnen. Und als ob das alles nicht schon mehr als genug wäre, zieht jetzt mit Trump ein unberechenbarer Sexist, Lügner und Betrüger ins Weisse Haus als Präsident des mächtigsten Landes der Welt. Das ist doch zum Haarölseichen!

Heiter

Was tun? Sich empören, um nicht in Schockstarre zu verharren. Sich empören, immer und immer wieder. Und dann ­handeln. «Empörung als Schlüssel zum ­Engagement», wie es Stéphane Hessel (1917–2013) schreibt. Hessel wurde während des Ersten Weltkriegs in einer deutsch-polnisch-jüdisch-protestantischen Familie in Berlin geboren. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in der Résistance gegen die ­Nazis, kam ins KZ Buchenwald, dann Bergen-­Belsen. Unter falscher Identität gelang ihm die Flucht. Hessel nennt sein Überleben ­heiter «eine Folge glücklicher Wendungen».

Militant

Er prangert in seinem 2010 erschienenen Buch «Empört euch!» an, und zwar noch immer topaktuell: die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten, den Sozial­abbau, insbesondere bei den Renten, den Rückgang der Medienvielfalt und ihre gefährdete Unabhängigkeit, den beschränkten Zugang zur Bildung, mangelnde Umweltpolitik hinsichtlich des Klimawandels. Und fordert eine öffentliche Kontrolle über Energiekonzerne und Banken, echte Wirtschaftsdemokratie, Unterordnung des Profits unter das Gemeininteresse. Hessel: «Wenn man sich über etwas empören kann, wird man militant, stark und engagiert.»

Mutig

Viele nennen sein Buch abschätzig ein «Pamphlet der Hoffnung», naiv oder oberflächlich. Mag sein. Aber Handeln aus Empörung über Ungerechtigkeiten ist der Stoff, aus dem echter Wandel gemacht ist. Das haben die Stahlarbeiterinnen und -arbeiter von Gerlafingen eindrücklich gezeigt. Mutig stellten sie sich der Massenentlassung ent­gegen und können nun «unbeschwert Weihnachten feiern» (zum Artikel). Oder der solidarische McDonald’s in Marseille, «L’Après M». Aus Empörung über miserable Arbeitsbedingungen und hungernde Kinder hat Kamel Guemari ein Projekt ins Leben gerufen, das Hoffnung gibt und Kinder ernährt (zum Artikel).

Kraftvoll

«Neues schaffen heisst Widerstand leisten. Widerstand leisten heisst Neues schaffen», so Hessels berühmtestes Zitat. Nicht hinnehmen, dass Frauen­geschichten im Dunkeln bleiben, sich dar­über empören, dass Frauen keine politischen Rechte haben: das zeichnet Leben und Werk der preisgekrönten Historikerin und Feministin Elisabeth Joris aus. Die Wut darüber, dass Frauen noch immer sexualisierter, teils tödlicher Gewalt ausgesetzt sind, trieb Tausende Menschen auf die Strassen von Bern (zum Artikel). Sie setzten ein kraftvolles Zeichen des Widerstandes gegen alle Trumps dieser Welt.

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