work-Kommentar
Staatsdiener im Dienste des Marktes

Die leitenden Beamten des Staatssekre­tariats für Wirtschaft (Seco) in Bern denken noch ganz im Geist der 1990er Jahre. Zum Leidwesen der Schweizer Industrie und der ökologischen Kreislaufwirtschaft. Für die Rettung der Schweizer Stahlwerke gibt es sehr gute Gründe: Klimaschutz, Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit. Doch Guy Parmelin (65) sagt, der Bundesrat müsse hart bleiben: «Die Stahlwerke hier in der Schweiz sind leider nicht unersetzlich.» Auf einen «Subven­tionswettlauf» wolle man sich keinesfalls einlassen. Parmelin lässt sich in dieser Krisensituation vor allem von den ­Chefbeamten des Seco beraten. Ihre marktwirtschaftlichen Dogmen prägen die Wirtschaftspolitik der Schweiz seit vielen Jahrzehnten.

Zusammenbruch

Zum Beispiel Eric Scheidegger (63). Er ist voraussichtlich noch zwei Jahre Chefökonom des Bundes. Seit zwanzig Jahren arbeitet er für das Seco und leitet dort die Direktion für Wirtschaftspolitik. In dieser Funktion ist er in Sachen Industriepolitik der wichtigste Berater von Guy Parmelin. Bevor Scheidegger in die Dienste des Seco trat, war er persönlicher Wirtschaftsberater von Bundesrat Pascal Couchepin (FDP) und in den 1990er Jahren Wirtschaftsjournalist bei der NZZ. Aus dieser Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion stammt auch die Idee vom Ende der Geschichte, von der Ordnung durch die Effizienz der Märkte und Fortschritt durch weltumspannenden Freihandel.

Einsturz

Doch 35 Jahre nach dem vermeintlichen Ende der Geschichte ist durch den Staub der einstürzenden liberalen Wirtschaftsideale eine neue Realität erkennbar: eine Welt, bedroht durch Klimakatastrophen, Kriege und autoritäre Herrschaft. Und Staaten, die sich aufgrund veränderter Umstände an dieser neuen Realität orientieren. So subventionieren die USA und China Industrien, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, mit Hunderten von Mil­liarden Dollar. In den europäischen Nachbarstaaten Deutschland und Frankreich werden Stahlwerke mit Entlastungen auf Strompreisen gestützt. Und die traditionell wirtschaftsliberale EU-Kommission hat im Oktober eine Subvention von 128 Millionen Euro zum klima­freundlichen Umbau des schwedischen Stahlunternehmens SSAB bewilligt.

Amtsschimmel

Und was passiert in den Berner Amtsstuben? Statt der dringend notwendigen Debatte über die Kriterien der Staatshilfe für industrielle Stromgrossverbraucher hängen die Seco-Beamten weiterhin vergangenen Idealen nach. Wer hilft, den Amtsschimmel aus dem letzten Jahrhundert ­wegzuwischen und die Fenster für neue Ideen zu öffnen?

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.