Massenentlassung bei Swiss Steel verhindern
Protestwelle für die Stahlwerke

In Luzern demonstrieren die Stahlarbeiter für den Erhalt ihres Stahlwerks und fordern den Verzicht auf die Massenentlassung von 130 Personen. Die Zukunft der Stahlwerke in Emmenbrücke LU und Gerlafingen SO ist von den politischen Entscheiden der nächsten Wochen abhängig.

PROTEST: Die Büezerinnen und Büezer kämpfen für ihre Zukunft im Stahlwerk. (Foto: Manu Friederich)

Etwa 100 Stahlarbeiter von Emmenbrücke LU demonstrierten heute morgen vor dem Kantonsrat in Luzern. Mit der Aktion wehren sie sich gegen den Abbau von 130 Stellen bei Steeltec, dem Luzerner Stahlwerk des Swiss Steel Konzerns. Der Kantonsrat hat in seiner Sitzung von heute morgen drei Postulate für dringlich erklärt und wird morgen darüber abstimmen. Die Postulate fordern vom Luzerner Regierungsrat, dass er sich aktiv für die Sicherung der Arbeitsplätze im Stahlwerk einsetzt. Am nächsten Samstag findet in Emmenbrücke auch eine Kundgebung gegen die Entlassungen und für den Erhalt des Stahlwerks statt. 

Teurer Strom

Um die Massenentlassungen in Gerlafingen und Emmenbrücke definitiv zu verhindern, müssten an erster Stelle die Netzgebühren für die Schweizer Stahlwerke reduziert werden. Denn die Stromkosten sind neben der weltweiten Überproduktion und dem Import von Billigstahl die derzeit grösste Sorge der Betreiber der Schweizer Stahlwerke. Das Werk von Swiss Steel in Emmenbrücke braucht ungefähr so viel Strom wie die ganze Stadt Luzern. Auch bei Stahl Gerlafingen sind es pro Jahr 360 Gigawattstunden Strom, was dem Verbrauch von 70000 Haushalten entspricht. Damit gehören die beiden Stahlwerke zu den industriellen Grossverbrauchern, die ihren Strom in der Schweiz auf dem liberalisierten Strommarkt einkaufen müssen. Entsprechend hoch ist die finanzielle Belastung durch die im europäischen Vergleich hohen Strompreise in der Schweiz.

Tiefere Gebühren

Eine überparteiliche Allianz will die Stromkosten für die Stahlwerke während vier Jahren reduzieren. Die Nationalräte Roger Nordmann (SP) und Christian Imark (SVP) fordern mit ihren Vorstössen tiefere Gebühren für die Netznutzung. Die Kommission für Umwelt und Energie (Urek) hat dem Rettungsplan letzte Woche zugestimmt. Matteo Pronzini, Branchenleiter MEM-Industrie bei der Unia, sagt: «Wichtig ist jetzt, dass die finanzielle Unterstützung an Bedingungen wie Standortgarantien und den Verzicht auf die Ausschüttung von Dividenden gekoppelt ist.» Falls das Parlament in der Wintersession dem Antrag zustimmt, wird auch das Walliser Aluminiumwerk Novelis, das diesen Sommer nach Starkniederschlägen überschwemmt wurde, von diesen reduzierten Netztarifen profitieren. 

Mehr Schweizer Recyclingstahl 

SP-Nationalrat Roger Nordmann sagt zu work: «Diese Massnahme gibt den Stahlwerken eine Verschnaufpause und wird das Stahlwerk in Gerlafingen in den nächsten Jahren um etwa 20 Millionen Franken entlasten.» Mit der Einführung einer vorgezogenen Entsorgungsgebühr für Stahl könnte das Stahlrecycling in der Schweiz zudem profitabler gemacht werden. Nordmann sagt: «Wir müssen jetzt unbedingt den Absatzmarkt für den Schweizer Recyclingstahl pushen.» 

SCHWEIZER STAHL: Die Stahlwerke in der Schweiz sind wichtige Recyclingbetriebe.(Foto: Manu Friederich)

Bei der Beschaffung müssten Bund und Kantone konsequent ökologische Kriterien berücksichtigen und bei öffentlichen Bauvorhaben wie Strassen, Eisenbahnstrecken oder Tunnels vorzugsweise Recyclingstahl aus Gerlafingen verwenden. Die Unia fordert: «Der Bundesrat muss dazu jetzt rasch griffige Verordnungen erlassen.»

Stahlkreislauf steht auf dem Spiel

Denn nicht nur der Stromverbrauch, auch die Schrottverarbeitung der beiden Schweizer Stahlwerke ist gigantisch. Zusammen rezyklieren sie rund 1,5 Millionen Tonnen Stahlschrott pro Jahr. Andreas Steffes, Geschäftsführer von Metal Suisse, dem Dachverband der Metallverarbeiter, sagt: «Im Falle einer Schliessung der Stahlwerke wäre der ganze Metallkreislauf gestört, also sowohl das Recycling und auch der sichere Bezug von Qualitäts-Stahl in der Schweiz.» Er sieht auch viele Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungskette in Gefahr, insbesondere in den direkt folgenden Produktionsschritten, wie der Oberflächenbehandlung oder den Biegereien, welche für die Bauwirtschaft Bewehrungsstahl nach Schweizer Normen produzieren. In der Schweiz arbeiten aktuell etwa 12000 Personen in der Metallerzeugung und -Verarbeitung. 

Klimastreik fordert Vergesellschaftung

Doch welche Mitsprache hat der Staat, falls die Stahlwerke tatsächlich finanziell entlastet werden? Für den Klimastreik Schweiz, der sich ebenfalls für die Rettung der Stahlwerke einsetzt, braucht es für einen effektiven Klimaschutz eine staatliche Beteiligung an den Stahlwerken. «Mit einer Vergesellschaftung können wir sichergehen, dass sowohl die Zukunft des Werks gewährleistet ist, als auch gegen die Überproduktion kämpfen», sagt Anna Lindermeier vom Klimastreik Zürich. «Es könnte so gemeinsam über die Anwendungsbereiche von Stahl und die Produktionsmenge und -weise entschieden werden.»

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