Unia-Wissenschaftspreis: Studie über Sexarbeit gewinnt
Verkauf von Sex ist Arbeit

Legal, aber prekär: In ihrer Doktorarbeit zeichnet Sarah Baumann nach, unter welchen Bedingungen Prostituierte in den 1950er bis 1980er Jahren arbeiten mussten. Jetzt erhält sie dafür den Wissenschaftspreis der Unia.

PREISÜBERGABE: Unia-Präsidentin Vania Alleva (mitte) mit der Gewinnerin des Hauptpreises Sarah Baumann (r.) und dem Nachwuchspreisträger Luc Ruffieux. (Foto: Florian Bachmann)

Wie wirkte sich die «sexuelle Befreiung» ab 1968 auf die Arbeit von Prostituierten aus? Wer verdiente mit an der sexuellen Arbeit von Frauen? Wie wehrten sich Sexarbeiterinnen gegen Repression der Behörden?

Solchen Fragen geht die Historikerin Sarah Baumann auf den Grund. Für ihre Dissertation zum Thema erhält sie jetzt den mit 4000 Franken dotierten Wissenschaftspreis, gestiftet von der Unia. Ihn verleiht die Gewerkschaft alle zwei Jahre. Er soll herausragende Forschung zum Thema Arbeit öffentlich anerkennen. 

Forscherinnen und Forscher konnten Abschlussarbeiten einreichen, die sie in den letzten zwei Jahren verfasst hatten. Eine Jury aus Fachleuten kürte jetzt Baumanns Dissertation mit dem Titel «Prekäre Liberalisierung. Sexuelle Arbeit von Frauen in Schweizer Städten» zur Siegerin. Überreicht wurde der Preis am 13. Dezember an der Universität Zürich im Rahmen einer Tagung (siehe Kasten unten). 

Besonders prekäre Arbeit

In ihrer Laudatio strich Unia-Präsidentin Vania Alleva Baumanns Perspektive auf die Prostitution hervor: «Sie versteht und untersucht den Verkauf von Sex konsequent als Arbeit.» Eine besonders prekäre Form von Arbeit allerdings, gekennzeichnet durch Instabilität, fehlenden sozialen Schutz sowie soziale und ökonomische Verletzlichkeit. Damit stelle die Autorin, so Alleva weiter, den Skandal der Prostitution vom Kopf auf die Füsse:

Schändlich sind nicht jene, die diese Arbeit leisten, sondern die sozialen Bedingungen, unter denen ihre Arbeit stattfindet.

Ein unrühmliches Kapitel

Ebenfalls verliehen hat die Unia einen Nachwuchspreis von 1000 Franken. Er geht an Luc Ruffieux für seinen Beitrag zur Geschichte des Smuv, einer der Vorgängerorganisationen der Unia. In seiner Masterarbeit zeigt Ruffieux auf, wie der Smuv auf die Automatisierung der Industrie in den 1980er Jahren reagierte – insgesamt defensiv und weit entfernt von der Basis. Das sei auch als Aufruf an die Gegenwart zu verstehen, so Vania Alleva:

Gewerkschaften dürfen sich nicht mit einer reaktiven Rolle begnügen. Sie müssen mit Mut und Entschlossenheit dafür kämpfen, dass technologische Entwicklungen im Interesse der Menschen gestaltet werden.

Mehr Forschung zur Arbeit!

Forschung, die Arbeitnehmende ins Zentrum stellt: Davon gibt es in der Schweiz zu wenig. Das Netzwerk Laboris – Arbeitsforschung Schweiz will das ändern. Institute und Organisationen, darunter auch die Unia, haben sich 2023 zusammengetan, um die Forschung zum Thema Arbeit zu fördern.

Zum Beispiel mit der wissenschaftlichen Tagung vom 13. Dezember. Unter dem Titel «Arbeit und soziale Gerechtigkeit: Chancen und Herausforderungen im digitalen Zeitalter» lauschten Fachleute Referaten etwa über digitale Plattformen in der Care-Arbeit oder die Auswirkungen von Home-Office auf Mitarbeitende.

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