Andreas Rieger
«Streikfähig muss man sein, sonst reden die gar nicht richtig mit uns», sagte mir Gewerkschaftsbundschef Erich Foglar, als ich ihm im Dezember unser Buch «Streik im 21. Jahrhundert»* schenkte. Der Österreicher schilderte dann, wie die Verhandlungen über die Löhne von 180’000 Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie so gar nicht vom Fleck kamen – trotz nächtelangem Verhandeln. Also machten sich die Gewerkschaften kampfbereit und deblockierten die Streikgelder. Und siehe da, plötzlich kamen die Verhandlungen in Schwung, und es folgten drei Prozent Lohnerhöhung.
MEHR LOHN. Um die Jahreswende hat auch die IG Metall in Deutschland Streikbereitschaft erstellt. Hier geht es um die Tarifverträge (GAV) für fast 4 Millionen Lohnbezüger in der Metall- und Elektroindustrie. Die Forderung der Gewerkschaft: sechs Prozent mehr Lohn. Die Arbeitenden sollen zudem das Recht haben, ihre Arbeitszeit vorübergehend bis auf 28 Stunden zu reduzieren. Für tiefe Löhne soll es dabei einen Lohnausgleich geben. Solche Begehren bringen die Arbeitgeber auf die Palme. Auf die verkürzte Arbeitszeit wollen sie nicht eingehen. Diese sei illegal wie auch Kampfmassnahmen für diese Forderung. Die IG Metall lässt sich dadurch nicht einschüchtern. Seit Anfang Jahr organisiert sie verlängerte Warnstreiks, die überraschend mal da, mal dort laufen. Eine neue Streiktaktik, die nun ausgeweitet wird.
Die IG Metall überrascht mit neuer Streik-Taktik.
GUTE KONJUNKTUR. Warnstreiks gibt’s derzeit auch in den Skoda-Werken in Tschechien und bei Ford in Rumänien, bei Amazon in Deutschland und Italien. Bankangestellte streiken in Finnland, Lehrerinnen und Lehrer in Portugal und Holland. Hintergrund dieser Welle ist der Wirtschaftsaufschwung. Dank der guten Konjunktur müssten die Löhne nun eigentlich endlich wieder steigen. Tun sie aber nicht. Also greifen die Beschäftigten wieder zur Streikwaffe. In der Krise war diese mehrheitlich im Schrank geblieben, zu sehr hatten die Leute Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Das ist nun vorbei.
* Vania Alleva, Andreas Rieger (Hg.), Rotpunktverlag, 25 Franken.
Andreas Rieger ist Unia-Sekretär und vertritt den SGB im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB).