Pionier: Spengler Fredi Frei arbeitet Teilzeit
Mehr Zeit mit dem Sohn

Der Spengler und Dachdecker Fredi Frei hat sein Pensum reduziert. Auch Gewerkschaften und Arbeitgeber wollen die starren Vollzeit-Normen aufbrechen und so die Branche attraktiver machen. Auch für Frauen.

EINE AUSNAHME IN SEINER BRANCHE: Dachdecker und Spengler Fredi Frei übernimmt mit seinem Teilzeitpensum Verantwortung in der Kinderbetreuung. (Montage: work)

Jeden Freitagnachmittag verbringt Fredi Frei mit seinem zehnjährigen Sohn. Auch den Dienstagnachmittag nach der Schule, jedes zweite Wochenende und fünf bis sechs Wochen Ferien pro Jahr. Der 45jährige lebt von der Mutter des Jungen getrennt, nimmt sich aber Zeit für die Beziehung zu seinem Sohn.

Damit das besser geht, hat er vor ein paar Jahren in seinem Job als Spengler und Dachdecker reduziert. Statt Vollzeit arbeitet er jetzt noch 90 Prozent. Klar, sagt er, damit könne er nur einen kleinen Teil der Betreuung übernehmen. Aber:

Ich bleibe ein fester Teil seines Alltags. Das ist mir viel wert.

BÜEZER: Fredi Frei bei der Arbeit. (Foto: zvg)

Eine Branche mit Rückstand

Männer, die Teilzeit arbeiten, sind nach wie vor eine Minderheit. Übers Ganze gesehen, machen sie etwa 20 Prozent aus. In der Gebäudehüllenbranche ist ihr Anteil noch viel tiefer:

Nur gerade sieben Prozent arbeiten nicht Vollzeit.

Dieser Rückstand hat auch damit zu tun, dass es derzeit fast nur Männer sind, die als Abdichter, Dachdecker oder Fassadenbauer arbeiten: Unter den dem Branchen-GAV Unterstellten, Lernende nicht mitgezählt, liegt der Frauenanteil nur bei 0,9 Prozent.

Doch immer mehr junge Eltern finden die starre Norm, dass der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau die Kinder betreut, nicht mehr zeitgemäss. Laut einer Studie des Bundesamts für Statistik wünschen sich die meisten Paare mit Kindern im Vorschulalter, dass sie Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung untereinander aufteilen können. 53 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer bezeichneten das Modell «Beide Eltern Teilzeit erwerbstätig» als ideal. In der Realität konnten aber nur 13 Prozent der Befragten dieses Modell leben.

Gegen Fachkräftemangel

Die Gewerkschaften Unia und Syna und der Arbeitgeberverband Gebäudehülle Schweiz starten jetzt ein gemeinsames Projekt, um die Vereinbarkeit in der Branche zu verbessern und so auch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (mehr dazu über diesen Link). Es soll für Männer bessere Möglichkeiten schaffen, Beruf und Privatleben ins Gleichgewicht zu bringen. Gleichzeitig soll es die Berufe für Frauen zugänglicher machen. Dass sich schon heute mehr und mehr Frauen für die Branche interessieren, zeigt sich unter den Lernenden: Derzeit liegt dort die Frauenquote bei 3,8 Prozent.

Gestartet ist das Projekt mit einer Umfrage. Noch bis Mitte Januar sind alle Mitarbeitenden und Firmen in der Branche aufgerufen, daran teilzunehmen (siehe Box). Nächstes Jahr sollen Pilotprojekte in Firmen folgen, um die Vereinbarkeit zu verbessern. Und falls nötig, sollen auch die Bestimmungen des GAV zu Teilzeitarbeit angepasst werden.

Mach mit: Hier geht’s zur Umfrage

Arbeitest du in der Gebäudehüllenbranche? Dann gib deine Meinung ab. Braucht es mehr Entgegenkommen bei der Einsatzplanung? Mehr Freiheiten bei Arbeitsbeginn und -ende? Eine bessere Organisation im Betrieb? Die Bedürfnisse in Sachen Vereinbarkeit und Arbeitszeitmodelle, die sich aus der Umfrage ergeben, bilden die Grundlage für die nächsten Schritte des Projekts.

Dauer: ca. 10 Minuten. Die Umfrage ist anonym und vertraulich, es werden keine Daten weitergegeben.

Geleitet wird das Projekt vom Verein Pro Teilzeit. Dieser führt derzeit auch in der Holzbaubranche ein ähnliches Projektdurch (mehr dazu). Bereits abgeschlossen ist ein Projekt im Maler- und Gipsergewerbe. Dieses hatte durchschlagenden Erfolg: Innert knapp drei Jahren entstanden in der Branche fast 500 neue Teilzeitstellen (work berichtete). 

Für Spengler und Dachdecker Fredi Frei ist klar:

Damit in der Gebäudehüllenbranche Ähnliches passiert, braucht es auch ein Umdenken der Männer. In der Altersgruppe von mir an aufwärts ist die traditionelle Rollenverteilung noch sehr stark verankert. Aber bei den jungen Kollegen merke ich immer mehr, dass sie neben dem Beruf auch in der Familie eine aktivere Rolle übernehmen wollen.

Was es braucht

Frei arbeitet bei der Firma Ramseyer und Dilger in Bern. Probleme wegen seines 90-Prozent-Pensums gebe es keine, sagt er. Wichtig sei eine gute Organisation im Betrieb. Denn ja, mit Teilzeitern seien nicht mehr alle an allen Tagen im Einsatz: «Für die im Büro, die die Planung machen, wird es ein bisschen komplizierter. Aber da ich fix den Freitagnachmittag freihabe, ist das für sie gut machbar.»

Darüber hinaus sei eine gute Vereinbarkeit «ein Geben und ein Nehmen». Er erklärt: Wenn es regne und es ihn brauche, damit ein Dach bis am Abend dicht sei – «dann bleibe ich halt etwas länger, und meine Exfrau schaut zum Sohn». Wenn umgekehrt während der Arbeit die Schule anrufe, der Bub sei krank, «dann kann ich gehen und hole ihn ab. Es braucht Flexibilität, aber auf beiden Seiten. Dann funktioniert es gut.»

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