Rosa Zukunft ‒ Technik, Umwelt, Politik
Ökologischer Umbau: China legt ökonomisch Beznau I und Beznau II still

Solarpanels, Batterien und Wind: Der ­chinesische Staatskapitalismus kann eine bereits heute bestehende Überproduktions­krise nur durch noch mehr Produktion, durch noch mehr Subventionen lösen. Er wird somit zum entscheidenden Faktor des so oder so anstehenden ökologischen Umbaus.

BALD GESCHICHTE: Die AKW Beznau I und II werden keine zehn Jahre mehr laufen. Die Strommenge, die sie produziert haben, wird von chinesischen Solarpanels in den Schatten gestellt. (Foto: zvg/ nwa-schweiz.ch)

Die Welt wird zunehmend zu einem Dorf, politisch und ökonomisch. Vieles verändert sich rasend schnell und oft in wenigen Tagen. Der syrische Diktator Bashar al-Asad ist weg. Die AKW Beznau I und II werden spätestens in neun Jahren nur noch Geschichte sein. Und niemand will im Ernst ein neues Atomkraftwerk bauen. Denn nicht mehr der Winterstrom ist das Problem, sondern die Dunkelflauten.

Versuchen wir zu verstehen, was energiepolitisch auf uns zukommt:

Die Wirkungsgrade der Solarpanels steigen schneller an als bisher gedacht: Bereits heute haben die führenden chinesischen Herstellerfirmen Produkte mit einem Wirkungsgrad von 25 Prozent im Angebot. Für das Jahr 2027 versprechen sie uns 28 Prozent. Und dies bei fallenden Preisen. Das ist eine Revolution, weil wir auf gleich viel Fläche viel mehr Strom produzieren können. Die neue Faustregel: Mit drei Quadratmetern Solarpanels können wir 1000 Kilowattstunden Strom produzieren. Ein Vierpersonenhaushalt ohne Elektroauto verbraucht 4500 Kilowattstunden pro Jahr.

Parallel zu den Solarpanels wurden auch die Wechselrichter effizienter und billiger. Bestes Beispiel dafür sind die neuen Balkonkraftwerke, die alles in einem Paket anbieten: Solarpanels, Befestigung und Wechselrichter. Neuerdings gibt’s oft sogar noch Batterien dazu.

Alle, die eine Solaranlage ohne Batterien installieren, können damit im Durchschnitt nur 40 Prozent ihres Strombedarfs decken. Den Rest müssen sie ins öffentliche Stromnetz Netz abgeben, wo die Preise am Fallen sind. Mit einer genügend grossen Batterie können sie 70 Prozent ihres Stromverbrauchs selber decken. Das macht schon eine match-entscheidende Differenz aus und gilt für eine Anlage auf dem eigenen Dach, im eigenen Garten oder in einer nahen Freilandanlage.

280 mal Beznau

Auch die Preise für Batterien befinden sich im freien Fall: Innert eines Jahres wurden sie um 50 Prozent billiger. Bei chinesischen Produkten liegen sie heute pro Kilowattstunde gespeicherter Energie bereits bei 200 Franken. Wer eine Solaranlage mit drei Kilowatt Leistung installiert, sollte sinnvollerweise eine Batterie mit einer Speicherfähigkeit von 10 bis 15 Kilowattstunden vorsehen.
Europa hat den Zug leider schon wieder verpasst. Aber das ist kein Unglück, weil China auf Teufel komm raus Batterien produzieren und exportieren muss. Ohne Industrieproduktion, ohne Exporte unter anderem von Solarpanels, Wechselrichtern und Batterien würde das Reich der Mitte implodieren. Es verträgt jetzt keine weiter ansteigende Arbeitslosigkeit seiner jungen Menschen mehr. Und vor allem bei den Löhnen und Arbeits­bedingungen für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter hat es noch viel Luft nach oben.

Der chinesische Staatskapitalismus kann eine bereits heute bestehende Überproduktionskrise nur durch noch mehr Produktion, durch noch mehr Subventionen lösen. Er wird somit zum entscheidenden Faktor des so oder so anstehenden ökologischen Umbaus. Nächstes Jahr werden chinesische Unternehmen mehr als 500 Gigawatt-Solarpanels pro­duzieren. Diese werden pro Jahr so viel Strom pro­duzieren wie 280 Mal Beznau I.

Arbeitsplätze schaffen

Auch bei den Windkraftwerken, die ihren Strom vor allem im Winter pro­duzieren, fallen die Preise wegen der chinesischen Anbieterinnen und Anbieter.

RWE ist ein deutscher Stromriese. Verglichen damit sind Axpo und Alpiq nur Vorgartenzwerge. Markus Krebber, der CEO von RWE, beschreibt im «Handelsblatt Deutschland» die neue Ausgangslage: «Wenn man sich die Investitionszyklen von neuen Kernkraftwerken anschaut, ist man schnell bei 15 Jahren und mehr. Da ist der Neubau von wasserstoff­fähigen Gaskraftwerken, Speichern und vor allem der Ausbau der Erneuerbaren deutlich schneller.»

Es ist die Aufgabe von Gewerkschaften, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen und gleichzeitig den Strukturwandel voranzubringen. Wir verbrauchen heute als Land 60 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr. Wir werden mittelfristig, wenn die Umstellung auf Elektromobilität und Wärmepumpen erfolgt ist, absehbar bis zu 100 Milliarden Kilowattstunden benötigen. Somit rund 10 000 Kilowattstunden pro Nase. Dieser Umbau schafft Arbeitsplätze. Und für die heutigen AKW-Mitarbeitenden wird es viel Arbeit beim Abbruch der Atomkraftwerke geben. Wie viele können umgeschult werden? Wie viele können in Frühpension gehen?

Es wird spannend!

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/lithium-strategie
    Ein informatives «Spiegel»-Interview mit dem hochkompetenten deutschen Forscher Rüdiger Eichel. Fazit: Die Preise von Lithiumbatterien haben sich innerhalb eines Jahres halbiert. Und Lithium­batterien halten viel länger als bisher gedacht: zuerst zwanzig Jahre im Auto, dann nochmals zwanzig Jahre als Batterie im Haus, etwa um den Photo­voltaikstrom vom Dach zu speichern. Erst danach können und müssen die Materialien wiederverwertet werden. Und die günstigeren, aber schweren Natriumionenbatterien werden sich absehbar bei Stadtautos durchsetzen.
  • rebrand.ly/energiepolitik
    Ein typischer fakten­armer SRF-Dokbeitrag mit Energieminister Rösti und Ems-Chefin Martullo-Blocher zur Energiepolitik: Die Tatsache, dass Deutschland bis 2030 schon 80 Prozent des Strombedarfs mit Erneuerbaren decken wird, vorab mit Strom und Sonne, war kein Thema.

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