Kosovo – Schweiz
Die Geschichte der Einwanderung von Zenun Hoti 

In die Schweiz ziehen für eine bessere Zukunft: Diese Hoffnung hatte Zenun Hoti (57), als er vor 36 Jahren seine Heimat verliess. Seine Geschichte zeigt die Hürden auf. Und wie gefährlich ausländerfeindliche Politik ist.

STECKT MITTEN IM EINBÜRGERUNGSPROZESS: Zenun Hoti fühlT sich in der Schweiz zu Hause und will mit seiner Familie auch nach der Pensionierung hierbleiben. (Foto: Raja Läubli)

Zenun Hoti war 21 Jahre alt, als er sich ins Auto setzte und von seinem Heimatdorf Ratkoc in Kosovo nach Villmergen fuhr, einem kleinen Dorf im Kanton Aargau. Das war 1988. Sein Ziel: Geld verdienen, um seiner Familie und sich ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch die Reise in die Schweiz stellte sein Leben komplett auf den Kopf. In seiner Heimat brach wenige Jahre später der Krieg aus, eine Rückkehr war ausgeschlossen. Heute weiss der Maler:

Ich bin dort zu Hause, wo meine Familie ist.

In Kosovo absolvierte Hoti eine Ausbildung zum Hilfstierarzt. Nachdem er seine Dienstpflicht beim jugoslawischen Militär abgeschlossen hatte, stand der junge Mann vor einer schwierigen Entscheidung: In seiner Heimat hatten junge Menschen wenig Perspektiven. Immer stärker wurde der Wunsch, im Ausland Fuss zu fassen. «Bei meiner Ankunft 1988 in der Schweiz hatte ich nichts. Ich konnte die Sprache nicht, ich hatte keine Arbeit und keine Freunde. Ich bin bei null gestartet», erzählt Hoti über seine ersten Tage. 

Start als Tellerwäscher

Mit dem Velo ging der junge Mann auf Arbeitssuche:

Ich ging bei jeder Fabrik, auf jeder Baustelle und in jedem Restaurant vorbei und fragte nach Arbeit.

Schliesslich bot ihm ein Restaurant eine Stelle als Tellerwäscher an mit einem Lohn von 1500 Franken netto. Zusätzlich eine kleine Unterkunft. Die Umstände waren nicht gut, die Arbeit sehr streng, der Lohn zu tief und nicht legal. Also suchte er nach besseren Optionen. Im Jahr 1989 fand er eine Stelle als Hilfsmaler. Die Arbeit gefiel ihm. «Mit diesem Job erhielt ich eine Bewilligung, mit der ich neun Monate als Saisonnier legal in der Schweiz wohnen und arbeiten durfte. Das war für mich ein grosser Erfolg!» 

ERSTER JOB AUF DEM BAU: Der junge Zenun Hoti erhielt 1989 als Hilfsmaler eine Saisonnierbewilligung. (Foto: zvg)

Seinem Traum einer ständigen Aufenthaltsbewilligung kam er immer näher. Doch 1992 herrschte in der Schweiz eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Er erzählt:

Die Fremdenpolizei lud meinen Chef vor. Er solle seine Stellen im Malergeschäft mit Schweizer Arbeitern besetzen und nicht mit Saisonniers wie mir. Also erhielt ich die Kündigung.

Für Hoti ein herber Schlag. «Ich fühlte mich ausgestossen und ausgegrenzt», erinnert er sich. Ohne Arbeit wurde ihm die Aufenthaltsbewilligung entzogen. Er hätte die Schweiz unfreiwillig verlassen müssen. Doch das liess Hoti nicht auf sich sitzen und holte sich Hilfe bei einem Rechtsanwalt. Denn mittlerweile war er mit seiner Frau Lendita verheiratet, hatte einen Sohn, und das zweite Kind war unterwegs. Seiner Familie wollte er es ermöglichen, in die Schweiz zu ziehen. 

Angst vor dem Krieg

Der Jugoslawienkrieg spitzte sich zu jener Zeit zu. Hoti: «Ich lebte in ständiger Angst, dass der Krieg in meiner Heimat ausbricht.» Durch die kritische Lage und dank dem Anwalt erhielt er die Möglichkeit, in der Schweiz zu bleiben und seine Familie zu sich zu holen. Im Februar 1994 zog die mittlerweile vierköpfige Familie schliesslich gemeinsam in die Schweiz. «Wir waren sehr glücklich, dass wir vereint waren. Ich war viele Jahre allein hier und fühlte mich sehr einsam.»

TROTZ HÜRDEN: Zenun Hoti hat nie die Zuversicht verloren. (Foto: zvg)

Niedergelassen hat sich die Familie 1994 in Effretikon, einem Vorort von Winterthur, wo sie nach über 30 Jahren immer noch wohnen. Er fand eine Stelle in einem Malergeschäft. Und die Familie wuchs weiter: Mittlerweile haben die Hotis vier Söhne. Seine Frau Lendita war nebst der Kinderbetreuung immer in der Reinigung tätig. «Dadurch konnte ich abends zur Arbeit, wenn mein Mann Feierabend hatte», sagt sie.

Finanzielle Doppelbelastung

In den vergangenen 37 Jahren hat Zenun Hoti viel gearbeitet. «Ich hatte finanziell immer eine Doppelbelastung: meine Familie hier in der Schweiz und meine Familie in meinem Heimatland.» Mit seinen Lebensumständen hier in der Schweiz ist er sehr zufrieden. Besonders als sein jüngster Sohn im Kindesalter an Krebs erkrankte, war er dankbar über die hiesige Versorgung, Betreuung und Heilung.

Hoti ist schon sein ganzes Leben lang sehr engagiert, sammelte Geld für diverse Hilfsprojekte und half mit beim Aufbau einer albanischen Sprachschule. Dadurch fühlt er sich als Gewerkschaftsmitglied bei der Unia am richtigen Ort. Vergangenen Herbst besuchte er die grosse Lohndemo in Bern. Er erzählt:

Das war meine erste, aber bestimmt nicht letzte Demonstration. Es war ein bestärkendes Gefühl, mit Menschen auf der Strasse zu sein, die für dasselbe kämpfen. Bei der nächsten Demo nehme ich die ganze Familie mit!

Bis zur Pensionierung geht es für das Ehepaar noch einige Jahre. Trotzdem ist für die Hotis klar: «Wir sind hier zu Hause, und wir bleiben hier!» Zurzeit steckt die Familie mitten im Einbürgerungsprozess. Den Deutschtest hat das Ehepaar vor kurzer Zeit erfolgreich bestanden. 

Fremdenfeindlich: Die gefährliche Initiative der SVP

Einwanderungsgeschichten wie jene von Hoti gibt es in der Schweiz viele. Sie sind geprägt von harter Arbeit zu schlechten Bedingungen, vom Verlassen der Heimat für bessere Perspektiven und von unzähligen Ausgrenzungserfahrungen. Doch solche Schicksale sind der SVP gänzlich egal. Mit ihrer neuen Initiative «10-Millionen-Schweiz» entfachen sie noch mehr Ausländerfeindlichkeit. Eine brandgefährliche Initiative, die den Aufenthalt von Tausenden Menschen ernsthaft gefährden könnte.

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