Rauschen, Rüsten, Rocken?
UKW-Ade: So soundet jetzt die Büez!

Seit diesem Jahr laufen die Radiosender des Service public nur noch über DAB+. Für Chrampferinnen und Chrampfer ist das mühsam. 

MUSIK ALS STÄNDIGE BEGLEITERIN: Ob auf dem Bau, in der Küche oder im Budenauto, für Büezerinnen und Büezer gehört Musik zur Arbeit dazu. (Bild: Shutterstock / Montage: work)

Wer ein über zehnjähriges Auto fährt, kennt das Problem. Ebenso, wer eine analoge Stereoanlage sein Eigen nennt. Oder wer am Arbeitsplatz noch einen Ghettoblaster von anno dazumal benutzt: Nichts als Rauschen! So tönt das Programm seit dem 1. Januar; zumindest auf den Ultrakurzwellen der SRG-Sender. Denn bekanntlich hat die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft per Neujahr definitiv auf digitale Sendeformate umgesattelt – konkret auf DAB+ sowie auf Internetradio. Und dies früher als nötig. Der Bundesrat zieht der UKW-Technologie nämlich erst auf Ende 2026 den Stecker. Die SRG aber sagt, sie könne mit der vorzeitigen Abschaltung ihrer 850 UKW-Sender jährlich 15 Millionen Franken und viel Strom sparen.

Sicher ist: Die meisten Privatradios senden weiter auf den üblichen Frequenzen von 87,6 bis 107,9 Megahertz über den Äther. Dies nicht zuletzt mit dem Kalkül, die von der SRG zurückgelassenen Hörerinnen und Hörer zu gewinnen. Denn das sind viele. Allein der absolute Publikumsliebling SRF 1 kommt zurzeit auf einen Marktanteil von 26,1 Prozent, gefolgt von SRF 3 mit 16,8 Prozent und der SRF Musikwelle mit 5,3 Prozent. Und:

Die SRG selbst geht davon aus, dass 2024 noch zwei Millionen Autos ohne DAB+ unterwegs waren. Das entspricht immerhin 43 Prozent aller zugelassenen PW

Neuere Zahlen fehlen. Doch noch immer dürften Hunderttausende Berufspendler betroffen sein.

Der hässige Gebührenzahler

SAUER ÜBER DIE SRG-STRATEGIE: Zimmermann Nicolas Balmelli. (Foto: zvg)

Einer von diesen ist Unia-Mitglied Nicolas Balmelli (30). Der Zürcher Zimmermann hat zurzeit eine Baustelle im Toggenburg und ist daher besonders viel unterwegs. Befragt man ihn über das UKW-Aus, kommt es wie aus der Pistole geschossen: «Ein Riesenproblem!» Denn:

Meine Budenkarre hat noch kein Digital-Schnickschnack!

Laufen tue sein Auto aber bestimmt noch zehn Jahre. «Also müssten wir umrüsten lassen, aber das kostet sicher einen Tausender.» Und sei ergo zu teuer.

Wäre allenfalls ein externer DAB+-Adapter eine gangbare Alternative? Schliesslich sind diese nach dem Massenandrang im Dezember nun wieder erhältlich. Und mit Preisen zwischen 70 und 150 Franken auch einigermassen erschwinglich. «Unmöglich», sagt Balmelli. «Dazu fehlt mir der nötige AUX-Eingang, und die Modelle, die das DAB+-Signal zurück auf eine UKW-Frequenz senden, kannst du rauchen!» Tatsächlich schneiden diese Modelle bei Expertinnen schlecht ab. Also bleiben nur noch die Privatsender. Doch auch hier winkt Zimmermann Balmelli ab:

Ich bin gopfertori Gebührenzahler und will Qualitätsjournalismus aus öffentlicher Hand!

All das «Geplärre» und «Gedudel» auf den Privatsendern könne ihm gestohlen bleiben. Seit Jahr und Tag habe er strikt SRF 1 gehört. Wobei Balmelli noch immer «DRS 1» sagt. Besonders vermisse er die Nachrichtensendung «Echo der Zeit», die er immer auf dem Nachhauseweg gehört habe. Aber auch die Staunachrichten seien nirgends so zuverlässig wie auf den SRG-Sendern.

Der pragmatische Ösi-Hörer

AUF ÖSI-SENDER UMGESTIEGEN: Elektroinstallateur Hans Eberli. (Foto: zvg)

Ähnlich tönt’s bei Elektroinstallateur und Bauleiter Hans Eberli (58). «Äs näärvt!» sagt der Thurgauer zum SRG-Abgang. Zwar habe er in seinem Firmenwagen sehr wohl DAB+. Doch wenn er etwa durchs Städtchen Weinfelden fahre, falle sein Lieblingssender SRF 2 sicher dreimal raus. Etwas speziellere Kanäle wie die deutsche «Rockantenne» streikten noch häufiger. Daher höre er weiterhin über UKW. Doch mit Klassik aus dem Hause SRF ist es damit vorbei. 

Das sei schade, meint Eberli, doch nehme er’s pragmatisch:

Jetzt läuft halt ein Ösi-Sender!

Der Dialekt sei zwar schon gewöhnungsbedürftig, das Programm aber tipptopp. Und auf der Baustelle gebe ohnehin längst die Jugend den Ton an. Etwa sein Sohn Philipp, ebenfalls Stromer. Dieser lege primär Hardrock, Metal oder Punk auf – aber freilich nicht via Radio, sondern via Streamingdienst, Bluetooth und spezielle Baustellenboxen. Für Stromer-Routinier Hans eine willkommene Abwechslung. «Ich höre alles ausser Free Jazz!» Nur eine Bedingung habe er: «Man muss noch miteinander reden können vor lauter Musik.» 

Die gnädige Oldie-Nudel

OLDIES IN DER KÜCHE: Chefin Chrugi Landtwing mit Koch Nils Stark. (Foto: jok)

Ziemlich laut ist es auch in der Küche von Chrugi Landtwing (30). Sie ist die Betriebsleiterin in der Mensa der Berner Unia-Zentrale. Während sie vegetarische Burritos rollt, dröhnt aus den Boxen der 80er Hit «Such a Shame» der britischen New-Wave-Band Talk Talk. Ein Gassenhauer, wie er für den Oldie-Sender Radio 1 typisch ist. Chefköchin Landtwing schwört darauf: «Auf diesem Sender gibt’s noch echte Abwechslung!» Privat stehe sie zwar auf härteren Sound, aber: «Rammstein und Techno kann ich meinen Jungs hier ja nicht antun.» Zwinkersmiley an Gastrokollege Nils Stark (29), der nicht widerspricht. 

Einig sind sich beide, dass ihr Radio-1-Konsum über UKW kein politisches Statement sei. Dass aber Senderchef und Radiopionier Roger Schawinski der schärfste Kritiker des UKW-Ausstiegs ist, weiss Landtwing sehr wohl. Sie selber will darüber kein Urteil fällen. Klar sei aber eines:

Wenn UKW bald ganz fehlt, bin ich es, die das neue Küchenradio bezahlen werden muss.

Sie zuckt mit den Schultern. Aber die Briten singen: «It’s a shame!»

Service public: SGB gegen «Halbierungsinitiative» und Rösti

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) bekämpft die «Halbierungsinitiative» von SVP und FDP mit aller Vehemenz. Die Initiative will die Radio- und Fernsehgebühren auf 200 Franken senken. Und Firmen sollen gar nichts mehr zahlen müssen. Das wäre das Ende des medialen Service public, wie wir ihn heute kennen. Profitieren würden Fake-News-Schleudern und Privatmedien unter Kontrolle von rechten Milliardären. Der SGB kritisiert auch die von Bundesrat Albert Rösti verordnete «präventive» Gebührensenkung auf 300 Franken. Dies sei medien- und demokratiepolitisch «völlig unverantwortlich».

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