Delegierte des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) beschäftigen sich mit den Bilateralen III
Ohne gesicherten Lohnschutz kann es kein Ja geben

Die Gewerkschaften unterstützen die Öffnung gegenüber der EU – wenn diese Öffnung den Lohnabhängigen nützt und nicht schadet. Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Lohnschutz nicht gesichert. Die SGB-Delegierten verlangen wirksame innenpolitische Kompensationsmassnahmen.

KEIN JA OHNE LOHNSCHUTZ: Die Delegierten des SGB setzen gehen bei den Löhnen und dem Service public keine Kompromisse ein. (Foto: Yoshiko Kusano)

Die Haltung der Gewerkschaften ist seit Jahren klar und konzis: Der SGB unterstützt den bilateralen Weg, wenn die Löhne und der Service public gesichert sind. Die Personenfreizügigkeit mit wirksamen flankierenden Massnahmen ist eine gewerkschaftliche Erfolgsgeschichte, auch weil sie das Ende des unmenschlichen Saisonnierstatuts brachte. Lohnschutz und Personenfreizügigkeit statt Diskriminierung und sinnlose «Schutzklauseln» sind im Interesse der Arbeitnehmenden in der Schweiz. Auch für die Arbeitsplätze und die Löhne sind gute und geregelte wirtschaftliche Beziehungen mit der EU wichtig.

Ernsthafte Probleme

Der Bundesrat erklärte die Verhandlungen mit der EU am 20. Dezember 2024 für abgeschlossen. Und die Verhandlungsziele für erreicht. Das sehen die Gewerkschaften aus guten Gründen anders. Die bis jetzt verfügbaren Informationen zeigen, dass Lohnschutz und Service public mit dem neuen Abkommen in Gefahr sind. Besonders gefährlich:

Die Übernahme der EU-Spesenregelung könnte bei Arbeitnehmenden in der Schweiz je nach Branche zu Einkommensverlusten von mehreren hundert bis mehreren tausend Franken im Monat führen.

Und eine geplante Lockerung der Kautionspflicht für Unternehmen schwächt den Schutz vor Lohndumping. Die Kaution hat heute eine präventive Wirkung. Wenn zukünftig eine Kaution nur noch im Wiederholungsfall geleistet werden müsste, geht dieser Schutzmechanismus gegen zwielichtige und halbkriminelle Firmen verloren. Heute werden jährlich 500 bis 1000 unseriöse Betriebe mit Dienstleistungssperren von der Schweiz ferngehalten.

KLARE ANGELEGENHEIT: Die SGB-Delegierten beschliessen einen umfassenden Forderungskatalog. (Foto: Yoshiko Kusano)

Die Forderungen

Damit die Bilateralen III den Lohnabhängigen im Land nützen und nicht schaden, müssen für die Delegierten des SGB mehrere Punkte erfüllt sein. Die Verschlechterungen im Verhandlungsergebnis im Vergleich zum Status quo müssen mit innenpolitischen Kompensationsmassnahmen korrigiert werden. In einer Resolution verlangen die SGB-Delegierten:

  • Es sollen neu nur diejenigen Firmen Aufträge erhalten, die auch korrekte Löhne zahlen. Dazu sollen die digital vorhandenen Informationen aus den Lohnkontrollen von den Auftraggebenden genutzt werden. Zudem sollte die Schweiz eine Auftraggebendenhaftung einführen.
  • Für die Durchsetzung der Löhne bei zwielichtigen Firmen braucht es schärfere Instrumente: Erstunternehmen müssen die Bussen für Subunternehmen zahlen, wenn sie nicht vorher überprüft haben, ob die Subunternehmen Schweizer Löhne zahlen. Zudem sollen Firmen, die bei den Kontrollen nicht kooperieren oder bei denen grosse Missstände herrschen, die Arbeiten unterbrechen müssen.
  • Die Bearbeitungszeiten der Kantone für die Meldungen müssen spürbar verkürzt werden. Die paritätischen Kommissionen müssen einen direkten Zugang zu den Meldungen erhalten, damit sie die Kontrollen rechtzeitig planen und durchführen können.
  • In der Schweiz müssen Schweizer Spesen bezahlt werden. Der Bundesrat muss dieses Thema im Abkommen nachverhandeln. Wenn das nicht gelingt, muss diese Selbstverständlichkeit in den Schweizer Gesetzen klar festgehalten werden. Auch damit das Bundesgericht in einem allfälligen Streitfall nicht falsch entscheidet.
  • Die schleichende Erosion beim Lohnschutz muss gestoppt werden. Die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) müssen an die heutige Realität angepasst werden. Insbesondere das Arbeitgeberquorum ist heute viel zu hoch. Die EU verlangt Massnahmen zur Förderung von GAV, wenn weniger als 80 Prozent der Arbeitnehmenden einem GAV unterstellt sind. Die Schweiz muss dieses Ziel übernehmen.
  • Bei der Temporärarbeit braucht es bessere Anstellungsbedingungen und Beschränkungen. Temporärangestellte sollen besser gegen Kündigungen geschützt sein und die gleichen Löhne erhalten wie ihre festangestellten Kolleginnen und Kollegen.
  • Wenn Berufstätige, die sich für die Rechte der Arbeitnehmenden einsetzen, besser gegen Kündigungen geschützt sind, verbessert sich auch der Lohnschutz. Deshalb braucht es einen besseren Kündigungsschutz.
  • Geregelte Strombeziehungen mit der EU sind auch aus Sicht der Gewerkschaften sehr wichtig. Die dafür geplante Liberalisierung des Strommarktes lehnen sie jedoch ab. Der SGB unterstützt den Vorschlag des Bundesrates, das Stromdossier einem separaten Beschluss zu unterstellen.
  • Bei der möglichen Öffnung des internationalen Personenfernverkehrs auf der Schiene verlangen die Gewerkschaften, dass die ausgehandelten Absicherungen vollumfänglich autonom umsetzbar sind. Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen müssen jederzeit sichergestellt sein. Das Kooperationsmodell muss weiter zulässig, die Tarifintegration gewährleistet und die Trassenvergabe unter Schweizer Hoheit garantiert sein. Es muss der Grundsatz gelten: Schweizer Recht auf Schweizer Schiene.
  • Der Bund muss wirksam sicherstellen, dass die derzeit existierenden Beihilfen, respektive Fördermassnahmen und Subventionsinstrumente im Schweizer Service public (namentlich in Verkehrs- und Strombereich) auch in Zukunft abgesichert sind. Diese Absicherung muss langfristige Gültigkeit haben, sowohl gegenüber der EU als auch unter der neu zu schaffenden Schweizer Beihilfeüberwachung.

So geht’s weiter

Der Bund hat Verhandlungen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern zugesagt. Doch bis jetzt weigern sich die Arbeitgeberverbände aus ideologischen Gründen, mit innenpolitischen Massnahmen den Lohnschutz und den Service public zu sichern. Das ist unverantwortlich. Die Verhandlungen beginnen in den nächsten Tagen und sollten bis im Frühling beendet sein. Der Bundesrat will die innenpolitischen Massnahmen danach zusammen mit dem vollständigen Abkommenstext in die Vernehmlassung geben. Das Parlament beginnt kaum vor Ende Jahr mit der Beratung. Die endgültige Haltung zum EU-Abkommen werden die Gewerkschaften erst nach diesen Verhandlungen und den Parlamentsentscheiden festlegen. Das letzte Wort wird das Stimmvolk haben. Die Abstimmung dürfte frühstens 2027 stattfinden.

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