Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Was für eine erbärmliche Politik, die dieser Tage ach so starke Männer und einige Frauen zele­brieren: Auf dem Buckel von schutzsuchenden und mittellosen Menschen zementieren sie ihre Macht. Eine Schande ist das. Klar ist da Trump, der mit seinen ausländerfeindlichen Abschreck­aktionen herumtobt. Klar ist da die AfD, die mit Nazi-Parolen um sich schlägt. Doch warum in die Ferne schweifen, wo der Schrecken liegt so nah?

Feen

Die SVP, flankiert von der FDP und der Wirtschaftselite, tut genau das hier in der Schweiz, je länger, je schamloser. Mit Begriffen wie «Asylchaos» oder «Asylschmarotzer» hetzen sie ruchlos gegen alles ­Fremde. Und wiederholen à gogo das Märchen, dass sich all unsere Pro­bleme wie von Feenhand lösen, wenn wir nur endlich die «Ausländer» los sind. Wer dann noch putzen, pflegen, betreuen oder bauen soll, ist egal. Hauptsache, die Ideologie stimmt.

Todsünde

Weniger platt, aber nicht minder plakativ sagte es Economie-Suisse-Präsident Christoph Mäder kürzlich im NZZ-Interview: «Die Probleme im Vollzug des Asylwesens ­belasten die Zuwanderungsdiskussion.» Probleme im Asylwesen gibt es, ja: den widerlichen ­Status F, der Menschen jahrelang in der Schwebe lässt; menschenunwürdige Zustände in den Asylunterkünften; traumatisierte Menschen, viele minderjährig, ohne jegliche psychologische Unterstützung usw. Doch diese Probleme meint Mäder wohl nicht. Er meint vor allem die «Wirtschaftsmigration», eine Todsünde aus rechts­bürgerlicher Sicht. In dieser Logik hat niemand das Recht, in einem fremden Land eine bessere Zukunft zu suchen. Was auch mitschwingt, ist die von rechtsaussen geschürte Rhetorik, dass Flüchtlinge prinzipiell suspekt sind.

Druck

Mit diesem fremdenfeindlichen Programm sind die SVP und ihre Sympathisanten jetzt auch im Bundesrat durchmarschiert. Das zeigte sich zuletzt unappetitlich klar bei seiner Antwort auf die «Nachhaltigkeitsinitiative» der SVP. Diese Initiative ist brandgefährlich. Für Schutzsuchende und für die gesamte Bevölkerung. Sie will faktisch die Abschaffung des Flüchtlingsstatus. Und wenn die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner 10 Millionen erreicht, fordert sie die Aufhebung der Personenfreizügigkeit und damit auch der flankierenden Massnahmen. Schweizer Löhne kämen unter Druck, und die Arbeitsbedingungen würden massiv ver­schlechtert.

Kuschelkurs

Der Bundesrat lehnt die Initiative zwar ab, doch was Innenminister Beat Jans letzte Woche als Antwort auf die Initiative präsentiert hat, ist ein Kuschelkurs mit Rechtsaussen: eine Verschärfung der Asylpolitik. Zur Erinnerung: Die Zahl der Asylanträge ist seit 2015 kontinuierlich gesunken. 2024 wurden knapp 26 000 Asylgesuche gestellt. Das ist nicht mal ein halbes Prozent der Gesamtbevölkerung. Und die Schweiz ist heute für viele Asylsuchende nicht mehr Ziel- sondern Transitland, schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM). Das «Asylchaos» ist also ein Sturm im Wasserglas.

Hebel

Und trotzdem setzt der Bundesrat genau da den Hebel an: Er will die Zahl der Asylgesuche senken, mehr Menschen ausweisen. Konkret will er prüfen, ob Menschen ohne Chance auf Asyl vom eigentlichen Asylverfahren ausgeschlossen werden könnten. Und gezielter und regelmässiger als heute sollen die Behörden untersuchen, ob vorläufig aufgenommene Menschen nicht doch in ihre Heimat zurückkehren müssen. Durch solche Massnahmen werden die Löhne nicht besser, keine Wohnung wird günstiger, kein einziger Stau wird aufgehoben, kein bisschen weniger C02 ­ausgestossen, keine Landschaft geschützt. Sie lösen kein einziges der drängenden Probleme. Das ist einfach mutlos erbärmliche Politik.

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