Peter Veslar wehrt sich vor Gericht gegen das «System DPD»
Ausgebeutet, verletzt, fallengelassen

Den Preis für das Geschäftsmodell des Paketdienstes DPD zahlen Kurierinnen und Kuriere mit meist miserablen Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen. Nun geht ein Kurier in Winterthur vor Gericht. 

MUSSTE SICH VERSCHULDEN: Ex-Kurierfahrer Peter Veslar. (Foto: Raja Läubli)

Dingdong! Wenn ein DPD-Kurier vor der Tür steht, ist die Chance gross, dass er nicht bei der DPD, sondern bei einem von etwa 65 Subunternehmen des DPD-Konzerns in der Schweiz angestellt ist. (So funktioniert das «System DPD»)

Zum Beispiel Peter Veslar (45). Er arbeitete für die Act GmbH, ein Subunternehmen der DPD mit Sitz in Winterthur. Bei seinem Probetag im Oktober 2023 hatte man ihm 80 Stops pro Arbeitstag versprochen, doch in der Realität waren es dann täglich meist fast doppelt so viele Lieferungen. Veslar chrampfte bis zu 13 Stunden pro Tag. Er sagt:

Besonders vor Weihnachten waren die Arbeitstage unglaublich lang, aber die meisten Überstunden hat man mir nie ausbezahlt.

Auto kaputt, Knie kaputt

Für den Vollzeitjob erhielt er einen Bruttolohn von 3800 Franken, plus einen Bonus von 400 Franken. Im Januar des letzten Jahres geriet Veslar in eine Kontrolle der St. Galler Polizei. Der Lieferwagen wurde wegen fehlender Betriebssicherheit aus dem Verkehr gezogen und Veslar verzeigt. Veslar sagt zu diesem Vorfall:

Die klemmende Fahrertür war sehr mühsam, und ich war froh, dass ich nicht weiter mit diesem kaputten Auto rumfahren musste. Die Busse habe ich dann meinem Arbeitgeber gegeben.

Die DPD-Pakete, die Veslar auslieferte, waren manchmal nicht nur schwer, sondern auch sehr sperrig. Veslar sagt: «Bei der Lieferung eines solchen grossen Pakets habe ich mir das Knie verletzt.» 

Kein Lohn mehr

Wegen der Verletzung musste Veslar drei Wochen pausieren. Doch bei der Rückkehr zur Arbeit kamen auch die Schmerzen zurück, und Veslar wurde Mitte Mai 2024 krankgeschrieben. Nach Einschätzungen der Suva waren die Schmerzen jedoch nicht die Folge des Arbeitsunfalls, sondern auf frühere gesundheitliche Probleme zurückzuführen. Ab diesem Moment zahlte die Act GmbH keinen Lohn mehr und antwortete auch nicht mehr auf Veslars Anrufe. Veslar war verzweifelt, pleite und musste einen Kleinkredit aufnehmen. Seine Lohnausweise zur Überprüfung des Anspruchs auf Krankentaggelder forderte er vergebens ein. Auch eine Kündigung hatte er nicht erhalten, weshalb er sich nicht beim RAV anmelden konnte. 

Die Forderung

Deshalb wandte er sich im Herbst an die Unia. Lukas Auer von der Unia Ostschweiz-Graubünden sagt:

Wir fordern nun die ausstehenden sechs Monatslöhne, das sind fast 30’ 000 Franken.

Beim Termin vor der Friedensrichterin in Winterthur tauchte der Chef der Act GmbH jedoch nicht auf, angeblich wegen Krankheit. 

Falsche Versprechen

Lukas Auer sagt: «Solche Arbeitgeber spekulieren in der Regel darauf, dass die ausländischen Opfer in ihre Heimat zurückkehren und sie so ihre Lohnschulden nicht mehr bezahlen müssen.» Die meisten der zwölf ehemaligen Arbeitskollegen von Veslar stammen ebenfalls aus Osteuropa. Auer sagt:

Viele dieser Arbeiter werden mit falschen Versprechen in die Schweiz gelockt und ausgebeutet. Es gibt auch Fahrer, die mussten schon im Lieferwagen übernachten.

DPD hält sich raus

DPD Schweiz schreibt auf Anfrage von work, dass DPD nicht Partei im Schlichtungsverfahren sei. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere im Bereich Sozialversicherungen und Arbeitssicherheit, liege in der Verantwortung der Subunternehmen. Im Fall der Act GmbH sei kein systematischer Betrug festgestellt worden. 

Der betroffene Subunternehmer war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Bis zur Gerichtsverhandlung könnte es nach dem Schlichtungsverfahren noch bis zu einem Jahr dauern. Unia-Mann Auer sagt:

Wenn die Firma in einem solchen Verfahren konkursgeht, muss die Allgemeinheit die ausstehenden Lohnzahlungen übernehmen.

Peter Veslar würde dann immerhin seinen Lohn erhalten und könnte den ausstehenden Kredit zurückzahlen. Und die Paketfirma DPD Schweiz, die täglich bis zu 100’ 000 Pakete ausliefert, hätte die Verantwortung und den Schaden erneut erfolgreich ausgelagert. Ganz getreu dem «System DPD».

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.