Autor

Marie-Josée Kuhn

Editorial

Frühlingserwachen

Frühling in Corona-Zeiten, ein seltsamer Kontrast. Hier neues Spriessen, Aufblühen und Wachsen. Das Leben, halt. Dort Angst, Krise und Krankheit. Der Tod. Und alles, was der Frühling so macht: einen rausziehen, einen ausziehen, einen ranziehen, sollten wir derzeit besser nicht tun. Doch träumen, das ist zwar auch ansteckend, aber das können wir. Der Kirschbaum im Garten ist jetzt noch schöner als andere Jahre. Der Blütenzauber noch zauberhafter. Augen mit Frühling füllen. Augen dann schliessen. Von diesem Frühlingserwachen handelt auch unsere Frontseite. Ein Bild gegen den Virus-Koller. Man sieht den Virus nicht, man riecht ihn nicht – und doch ist er da. Und do­miniert alles.

Editorial

Die Vergangenheit lebt immer noch

«Ausgerechnet ich habe für den CIA gearbeitet!» Das sagt Franziska Flury * (61), ehemalige Programmie­rerin bei der Dechiffriermaschinen­fabrik Crypto AG in Steinhausen ZG. «Es war ein super Job, es herrschte ein offener Umgang», erinnert sich die Gewerkschafterin, die damals auch als Kandidatin der Revolutionären Marxistischen Liga (RML) für den Zuger Regierungsrat kandidierte. Flury kann die Crypto-Affäre, die nun dank einem CIA-Papier definitiv aufge­flogen ist, immer noch nicht ganz fassen. Und sie ist nicht allein: work hat mit einem Dutzend Gewerkschaftsmitgliedern und ehemaligen Crypto-Mit­arbeitenden geredet – und alle sind sie schockiert bis verärgert.

Editorial

Shopping-Harakiri

Der Verkauf ist in der Krise. Manor schliesst Filialen. Und die Migros verkauft Globus an einen vorbestraften Tiroler Gewerkschaftsfresser. Derweil die Möbel-Pfister-Gruppe und ein Teil der Interio-Läden kürzlich vom österreichischen Möbelkonzern XXXLutz über­nommen wurden. Der Schweizer Detailhandel hat richtig die Krise. So wie wir manchmal beim Shoppen. Zu heiss, zu eng, zu schrill: Joghurt-Türme, Kleiderberge, Parfuminvasionen und Black-Friday-Krieg. Ein kalter Schweissausbruch – und wir verlieren die Nerven. Und erst die Verkäuferinnen und Verkäufer! Sie müssen nicht nur uns aushalten, sondern chrampfen auch noch permanent am Limit. Weil die Chefs «Stunden sparen». Das zeigt die work-Umfrage bei 10 Verkäuferinnen von Aldi bis Migros. Und es ist gewollt.

Editorial

Laden des Lächelns

Coop verstösst regelmässig gegen das Arbeitsgesetz. Und wird nicht gebüsst. Das enthüllte der «Blick», und work zeigt das interne Dokument, das den Skandal belegt (Seite 3). Und auch wenn Coop-Personalchef Luc Pillard nun alles runterspielt («Wir bewegen uns auf tiefem Niveau»), bleibt es doch ein Skandal. Denn work weiss: Bereits 2014 machte Coop in derselben Sache Negativschlagzeilen. Und versprach damals, künftig «Nulltoleranz» walten zu lassen. Offenbar ein leeres Versprechen. Mehr noch: Solche Verstösse werden wohl noch zunehmen. Nicht nur bei Coop. Denn die Ladenöffnungszeiten im Detailhandel werden immer länger, aber der Personalbestand wächst nicht mit.

Editorial

Buschbrände und Brandstifter

Das neue Jahr beginnt, wie das alte aufgehört hat: In Australien brennt das Buschland. Seit letztem Oktober frassen die Flammen in Down Under zweieinhalb Mal die Fläche der Schweiz. Und immer noch ist Australiens reaktionärer Premier Scott Morrison Klimaleugner. In bester Gesellschaft übrigens. Auch Bauer Marcel Dettling, der im Rennen ums SVP-Präsidium als Favorit gilt, nimmt das Wetter, wie es kommt: «Egal, ob es zu viel ­regnet oder zu wenig Schnee hat – immer soll gleich der Klima­wandel verantwortlich sein!» So mault einer (in der NZZ), der schon vor zwei Jahren für Klima-Schlag­zeilen sorgte. Weil er sagte, für die Klimaerwärmung sei «eine höhere Macht» verantwortlich. Glauben versetzt halt Berge. Blöd nur, dass sich diese tatsächlich bewegen: Obenabä! Denn schon droht im Aostatal am Mont-Blanc ein Gletscherabbruch.

2. Hauptartikel

Das war 2019: Ein Blick zurück, einer nach vorne
Das Wendejahr

Was für ein bewegtes und bewegendes Jahr 2019 doch ist – und bald schon war! Wie ein lila Lauffeuer eroberte zuerst der Frauenstreik die Schweiz. Und dann stand plötzlich Greta Thunberg da, wie von einem anderen Stern, und rief: «Solange ihr euch nicht darauf konzentriert, was getan werden muss, sondern darauf, was politisch möglich ist, gibt es keine Hoffnung.»

Editorial

Helvetisches ­Pathos-Theater

Das war wieder mal eine feine Machtdemonstration des Rechtsblocks von GLP über CVP bis FDP/SVP: diese Erneuerungswahl des Bundesrates ohne Erneuerung. Dafür mit umso mehr helvetischem Pathos-Theater vor der Wahl. Selbst die unsichere «geo­politische Lage» musste herhalten gegen die grüne Sprengkandidatin Regula Rytz (bei FDP-Fraktionschef Beat Walti). Und die Wirtschaftspro­gnosen, die bedrohlich eindunkeln (bei SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi). Geschweige denn unsere Compatriots aus der Schweizer Sonnenstube: Nein, mit der Abwahl des Tessiners Ignazio Cassis könne man diesen armen Grenzkanton jetzt nicht brüskieren! Konkordanz sei schliesslich keine «mathematische Grösse» (Walti again). Und deshalb zähle im Moment nur eins: Stabilität Stabilität Stabilität (alle im Chor).