Anne-Sophie Zbinden

Editorial

Anne-Sophie Zbinden ist die Chefredaktorin von work.

Editorial

Lohnschutz-Ausverkauf

Der Knall platzte mitten in die träge Sommerhitze: Die Gewerkschaften werden nicht mehr mit Bundesrat ­Johann Schneider-Ammann über den Ausverkauf der flankierenden Massnahmen verhandeln. Sie zeigen ihm und Aussenminister Ignazio Cassis die rote Karte. Weil die beiden FDP-Bundesräte den Schweizer Lohnschutz «frontal attackieren» und vor der EU sowie der Wirtschaftslobby einknicken. Bisher hatte der Bundesrat stets versprochen, er würde bei den Verhandlungen mit der EU um ein Rahmenabkommen eisern am Schweizer Lohnschutz festhalten. Doch nun haben erst Cassis, dann auch Schneider-Ammann dieses Versprechen im Alleingang gebrochen.

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Die Stimme der Bauarbeiter

18'000 Bauarbeiter gehen auf die Strasse. Für die Pensionierung mit 60 und gegen die Renten­abbaupläne der Baumeister. Es ist die grösste Arbeiterdemonstration in der Schweiz seit hundert Jahren. Und was bringt die «Sonntagszeitung» am Tag danach? Ein ganzseitiges Interview mit Baumeisterchef Gian-Luca Lardi, in dem dieser die Frührente «als untragbar» bezeichnet. Plus 10 Zeilen und ein kleines Bild zur Demo. Eine klare Positionierung des Tamedia-Blattes: die Stimme der Meister.

Editorial, Frauenstreik

Frauenstreik 2.0

Am 14. Juni 2019 findet der zweite Frauenstreik statt. Save the date, reserviere das Datum! Diese Ankündigung kursiert auf Facebook. Und ein Manifest von Juso und SP zum Unterschreiben ruft das Frauenjahr aus. Dieses dauert bis am 14. Juni 2019. 27 Jahre nach dem ersten Frauenstreik mobilisieren die Frauen also für den zweiten. Sie mögen nicht mehr warten. Denn Geduld und Demut brachten uns Frauen noch nie voran. Wut und Proteste schon.

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Befristete Gleichstellung

Was würden Sie, liebe Leserin, mit 7000 Franken mehr pro Jahr machen? Die Frage sei müssig, sagen Sie, weil das sowieso illusorisch sei? Nicht unbedingt. Hätten wir nämlich Lohngleichheit in der Schweiz, würde das ganz schön einschenken. Das zeigen Exklusiv­berechnungen, die work beim ­Berner Büro für arbeits- und sozial­politische Studien (BASS) in Auftrag gegeben hat. Dann bekäme jede erwerbstätige Frau im Schnitt 3 Franken pro Stunde, 590 Franken pro Monat, 7000 Franken im Jahr mehr. Und 303'000 Franken mehr im ganzen Erwerbsleben.

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Dicker Bschiss

Erst der Kartellskandal im Bündnerland und jetzt die Kiesaffäre im Luzerner Hinterland: die Bauwirtschaft kommt nicht aus den Schlagzeilen. Jahrelang haben Engadiner Baumeister illegale Preisabsprachen getroffen. Bündner Söihäfeli-Söideckeli vom Feinsten. Und jahrelang hat die Baufirma Marti AG einen Bauern als Strohmann bezahlt, damit dieser Einsprachen gegen ein Kiesgrubenwerk einer Konkurrenzfirma einreicht. Es war «missbräuchlich». Dicker Bschiss. Und jetzt noch das: Der Baumeisterverband will die Rente 60 für die Bauarbeiter kippen. Obwohl der Bau boomt.

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So vergeht die Zeit

Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega am Fernsehen. Der ist aber alt geworden, denke ich. Dann bringen sie Kuba. Erstmals seit der Revolution 1959 soll auf der roten Zucker-Insel kein Castro mehr führen, sondern ein Canel, Diaz-Canel. Hoppla, schiesst es mir durch den Kopf: 1959, das ist ja mein Jahrgang. Und nochmals hoppla: Uns gehen definitiv die Revolutionäre aus. Dabei waren sie Fixsterne am linken Firmament. Fidel Castro tot, Nelson Mandela tot, Karl Marx schon länger tot. Am 5. Mai würde der wichtigste Denker der kommunistischen Bewegung 200 Jahre alt.

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Vive la France!

Viele Berufsleute in Frankreich chrampfen zu noch mieseren Löhnen als die Bähnler und Bähnlerinnen. Nur: Was ist eigentlich gegen halbwegs akzeptable Arbeits­bedingungen zu sagen? Der wahre Skandal liegt darin, dass Präsident ­Emmanuel Macron den Reichen und den Konzernen Milliarden schenkt, die Arbeitenden aber drücken will. Volkswirtschaftlich ist das absurd. Sozial sowieso. Ein Streik ist da noch das mindeste.

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Hexenhammer

«Wir sind die Enkelinnen der Hexen, die ihr nicht verbrennen konntet»: Von den USA bis nach Polen ertönt inzwischen dieser feministische Kampfruf. Auch bei Tamara Funiciello ist er beliebt. Überhaupt empfiehlt sich die Juso-Chefin gerne als Hexenkind, zuletzt nach ihrer Wahl ins Berner Kantonsparlament: «Die Hexen kommen», postete sie fröhlich. Und 499 likten diese Drohung (Stand 27. März). Drohung? Ja, Funiciello will dem Kapitalismus und dem Patriarchat den Garaus machen. Früher, so sagt sie, hätte man sie sicher als Hexe verbrannt.

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Der rote Paul geht

«Mittelscheitel, Schnauz, unverändert seit Jahrzehnten»: so beschrieb einst die NZZ den obersten Gewerkschafter der Schweiz. Doch der Konservativismus bei Paul Rechsteiner zeigt sich nur in ­seinem Äusseren. Im Herzen ist der rote Paul ein Klassenkämpfer. Doch jetzt will er gehen. Beim SGB ist im November Schluss: Es sei Zeit für einen Generationenwechsel, sagt er. Und wer kommt jetzt?

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25 Jahre Brunner-Effekt

Geduld bringt den Frauen keine Rosen. Das sagt die Historikerin Fabienne Amlinger. Sie hat den Umgang von FDP, CVP und SP mit ihren Frauenorganisationen ab Einführung des Frauenstimmrechts 1971 bis 1995 erforscht. Und kommt zum Schluss: Nur wenn die Frauen auf den Putz hauen, bewegt sich was.

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Wille & Wahn

Wir haben die AHV und die IV. Wir haben die Proporzwahl bei den Nationalratswahlen. Wir haben die 5-Tage-Woche. Und wir haben das Frauenwahl- und -stimmrecht. All diese Errungenschaften gehören heute fest zur Schweiz, so wie Ricola und Matterhorn. Sie erlebten ihre Geburtsstunde am Generalstreik von 1918.

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Stoff und Zoff

Trump ist wieder weg. Und der «Blick» kommt vom tiefen Kniefall («Dear Mr. President: Welcome to Switzerland!») langsam wieder auf die Beine. In den Vorgärten blühen schon die Primeln, derweil sich das Edelweiss in immer höhere Bergwelten zurückzieht. Der Schnee war gestern. Die Klima­erwärmung ist heut’. Heiss, so hören wir, wird’s auch den Feministinnen. Wegen Männern, Liebhabern! Simone de Beauvoir (selig) schwärmte wie ein Teenie. In ihren neu publizierten Briefen säuselt und bäuselt es, wispert’s und knistert’s. Eher knallen tut es hingegen bei Unia-Bauchef Nico Lutz. Gekonnt kontert er den Angriff der SVP.