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Kolumnen

Editorial

Die Elefanten

Eigentlich sind sie überhaupt nicht für diese Jobs gemacht. Jedenfalls nicht als Reittiere. Ihr Rücken hält’s auf die Dauer nicht aus. Und sie sind Wildtiere. Stattdessen werden sie gewaltsam gezähmt: die dressierten Elefanten. Zwischen 3000 bis 4000 leben und arbeiten allein in Thailand. Und was sie alles schon mussten: Kriegselefanten sein im Dienste des Königs. Holzarbeiter-Elefanten sein und mithelfen, just jenen Dschungel abzuholzen, der einst ihre Heimat war. Und heute müssen sie Lastesel spielen für die Touristinnen und Touristen. Diese ergötzen: Fussball spielen, «Männchen machen», Wasser spritzen oder zeichnen. Mit ihrem Rüssel. Mit diesem rund 60'000 Muskeln starken Allzweckorgan. Umgerechnet bis zu 900 Franken im Monat spielen die Dickhäuter ihren Halterinnen und Haltern so ein. Besser gesagt: sie spielten. Denn seit Corona sind die Strände von Pattaya & Co. leer. Und die Elefanten arbeitslos.

Editorial

Alles ist ­möglich

In diesen Zeiten ist alles möglich: plötzlich exponentielles Wachstum der Ansteckungen, plötzlich Mutanten­viren, plötzlich 2000 Tote an einem einzigen Tag. So geschehen in Brasilien. Dessen neofaschistischer Präsident Jair Bolsonaro ist ein Corona-Leugner und zieht jetzt auch noch gegen die Corona-Impfung in den Krieg. Bereits drei Gesundheitsminister hat er erledigt, der vierte folgt sogleich. Plötzlich ist alles möglich, denn die Pandemie hat unser ganzes Leben verändert. Wir gehen uns aus dem Weg, wir tragen Masken, das Feierabendbier war gestern, die Ferien sind am Nimmerleinstag, wenn überhaupt. Ist Kurzarbeit, ist Homeoffice, sind Schnelltests, Spucktests, sind plötzlich ganz viele neue Wörter da – und weder Parties noch Grossdemos. Wegen Corona streiken die Metaller in Deutschland mit den Schuhen. Dort, wo Siemens Stellen abbauen möchte, stellen sie sie vors Werkstor: Tausende Turn-, Arbeitsschuhe und rosa Gummistiefel.

Editorial

Wille und Wahn

Seit Monaten müssen sie mit einem Fünftel Lohn weniger auskommen: die Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter. Für die Coronakrise können sie nichts, aber die Kurzarbeitsentschädigung der Arbeitslosenversicherung übernimmt in der Regel nur 80 Prozent des Lohnausfalls. Für Serviererin Laura García Soler heisst das minus 600 Franken im Monat. Seit Dezember lebt sie von 2800 Franken. Netto! Sogar fürs Benzin reicht’s jetzt nicht mehr. Weil sie noch ihre Eltern in Spanien unterstützt. Und weil Soler auch kein Trinkgeld mehr macht. Bis zu 1000 Franken im Monat zusätzlich können das sein.